Gedanken slash Grübeleien

Na so was, jetzt schreiben sie auf einmal alle wieder. Und es ist so schön, von den anderen zu lesen. Da bekomme ich Lust, auch ein paar Zeilen beizutragen. Ich bin gerade sehr verliebt in unser Kind, und obwohl ich ihm überhaupt gar nicht jeden Wunsch erfülle, niemals, ist das ein Thema für mich: Wohin mit der Liebe. Ist es überhaupt Liebe? Es ist so eine komische Sehnsucht, eine Sehnsucht danach, dass Kiko nicht verletzt wird. Ich weiß gar nicht, woher das kommt. Schau ich mir zu viele krasse Serienfolgen oder Filme an (Tatort „Familiensache“ vorgestern, meine Güte!) oder wie komme ich überhaupt darauf, Angst um Kiko zu haben? Manchmal stelle ich mir vor, dass ihr irgendwer weh tun könnte, im Krieg oder so, das ist schrecklich. Und ein bisschen ist das immer dabei. Heute bin ich mit ihr ins nächste Dorf gefahren (Auto), was sie prima fand, hat die ganze Zeit gesungen und erzählt und hat die Tüte von der Apotheke getragen und auf dem Bordstein balanciert. Und ich war die ganze Zeit ein bisschen angespannt – es könnte ja irgendwas passieren, sie könnte auf die Straße laufen oder so… Da habe ich darüber nachgedacht, dass ich wohl auch zu Hause stets ein bisschen angespannt mit ihr bin. Ich kann nicht einfach Heiko sein und faul herumliegen – ich muss verantwortliche Bezugsperson sein. Ich glaube nicht, dass alle Eltern immer dieses Gefühl haben.
Gleichzeitig ist unser Kontakt ausgezeichnet, wir verstehen uns richtig gut, da wird erklärt und gelacht und selbst Anziehen oder Zähneputzen sind gerade überhaupt nicht schwierig. Und ich finde selbst grässlich, dass meine Mutter, die auch hier im Dorf lebt, sich ständig Sorgen um Kiko macht: Weil ich nicht zulasse, dass sie im Schreibwarenladen Schokolade und in der Sparkasse jedes Mal ein neues Stofftier geschenkt bekommt (ich hab den Fehler gemacht, das meiner Mutter zu erzählen), weil ich sie auf dem Stuhl herumklettern lasse, weil das Kind ihrer verqueren Meinung nach nicht warm genug angezogen ist usw. usf.
Lustigerweise hat Kiko seit letzter Woche eine neue Gelegenheitskinderbetreuerin bekommen, eine 16-jährige, die ziemlich zufällig auf Kiko gestoßen ist, die Kiko aber sehr mag und von Kiko auch ganz gefunden wird. Und die – nennen wir sie mal Jasemin – ist anscheinend total locker und souverän mit unserem Kind. Ich hab ein voll gutes Gefühl, wenn die beiden zusammen sind. Und das finde ich irre: Diese junge Frau kriegt das scheinbar leichter hin als ich. Dabei hab ich schon ganz ansehnliche Projekte gestemmt. Vater sein ist nach wie vor ein großes und auch schwieriges Ding für mich.
Als ich mitbekommen habe, dass Jasemin morgen Zeit habe, habe ich ihr meinen ganzen Kiko-Vormittag übergeben. Hab ich mich jetzt gedrückt? Oder ist das erlaubt? Ich hab viel zu tun und die Vorstellung, den Vormittag über zu arbeiten, ist viel entspannter für mich als den Vormittag über das Kind zu betreuen. Irgendwie krass.
Aber dann, auch wieder so ein Gedanke: Wenn ich jetzt nicht in so einem Umfeld leben würde, wo völlig selbstverständlich ist, dass wir uns reproduktive Arbeiten wie Kinderbetreuung teilen; wenn ich ein „normaler“ voll berufstätiger Vater und z.B. Yuriko eine Hausfrau-Mutter wäre, dann wäre es wiederum total normal und sogar perfekt, wenn ich mit Arbeiten-gehen zufrieden wäre (vorausgesetzt, meine Frau wäre gern beim Kind zu Hause). Und jetzt finde ich es „irgendwie krass“.

Neulich (das jetzt der letzte Gedanke für heute) hab ich mich gefragt, ob Kiko gerade in einem Alter ist, das mich besonders herausfordert. Weil sie schon selbständig ist, die Bezugsperson aber noch sehr stark braucht und fordert. Ob es für mich wieder leichter wird, wenn ich in der Zeit mit ihr Lego baue und dabei Geschichtenschallplatten höre, wenn ich wieder etwas lockerer werden kann und nicht mehr so viel Verantwortung trage, weil sie sich dann selbst besser beschäftigen kann und ich nicht versuchen muss, jederzeit für sie nachvollziehbar zu handeln.

Und dann denke ich auch wieder, dass genau die Herausforderungen und die Zweifel, die bei mir immer dabei sind, meine größte Entwicklungschance sind.

Meinungsverschiedenheiten

bei unserem Co-Elternmodell kommt ja leicht die Frage auf, wie das eigentlich ist, wenn wir Entscheidungen treffen müssen, wo wir anderer Meinung sind oder wie wir mit verschiedenen Erziehungsstilen umgehen. Vorher dachte ich noch, das wird sicher schwierig. Das Komische ist, da wir zu viert sind, ist es sogar einfacher. Und zwar wahrscheinlich deshalb, weil wir uns in der Regel nicht so polarisieren können wie in einer Zweierbeziehung. Wenn wir uns uneinig sind, sind es oft drei, die es so sehen und eine_r anders. Meist kann sich die eine Person dann eher leichter auf die Meinung der anderen einlassen. Es sind immer 1-2 Eltern eher beweglich, also weder der einen Position noch der anderen zu verhaftet. Das macht es leichter. Beim Thema Erziehungsstile und Regeln haben wir uns zwar auf ein paar Regeln geeinigt (z.B. keine Füße auf den Tisch, kein Essen runterwerfen, Hauen nur, wenn es nicht wehtut usw.), aber wir lassen auch ein einige Unterschiede stehen, z.B. Zahnputz und Einschlafrituale. Das gemeinsame Spielen ist sowieso ganz individuell.
Als wir alle 5 in Italien waren hatte ich mal ein fettes Thema damit, dass nach meiner Wahrnehmung Heiko dem Kind jeden Wunsch erfüllt und sogar noch welche erzeugt, die sie gar nicht selbst hatte. Komischerweise hat mich das so richtig gegen ihn aufgebracht. Zum Glück leben wir in einer Gemeinschaft und ich hatte dann die Gelegenheit, das in unserem „Emum“ (das ist Plenum für emotionale Sachen) auszusprechen. Danach war wieder alles gut, puh! d.h. Schon 2 Jahre sind wir Co-Eltern und insgesamt läuft das Ganze ganz schön leicht, entspannt und freudig. Wow, manchmal kann ich das gar nicht fassen! Wir treffen uns ca. alle 2 Monate, um uns über unser Elternsein auszutauschen. Nicht gerade oft, könnte öfters sein, dennoch geht das so ganz gut.

10 Tage Volleltern sein

klingt vielleicht komisch, dass das überhaupt ein Thema ist, aber wenn mensch sich die Elternschaft mit 3 anderen teilt, dann bleibt die Erfahrung, wie es „normal“ ist, eher diffus. Da Alex und ich eher öfters mal als Paar weggefahren sind und dann Heiko, Kiko und Yuriko „allein“ gelassen haben, fehlte uns diese Erfahrung nach 2 Jahren tatsächlich noch. Das war einer der Gründe für mich, erst ein Wochenende zu meinen Eltern zu fahren und dann 10 Tage nach Irland zu reisen. Über die Reise mit Zug, Bus, Fähre und Mietauto, mit Kind nach Irland (hat 2,5 Tage gedauert) könnte mensch einen eigenen Bericht schreiben. Es hat mit viel Glück geklappt und Kiko ist ein richtiges Reisekind, es macht richtig Spaß mit ihr unterwegs zu sein….noch heute, Tage nach der Reise packt sie ihre Sachen, um „wieder loszufahren“.
Für mich war es super und natürlich auch ein bisschen anstrengend, das lag aber eher daran, dass wir in Irland noch ein Treffen hatten und beides zusammenzubringen hat Anstrengung gebracht. Mittlerweile ist unser Zusammensein und alles was dazugehört so selbstverständlich, dass es sich gar nicht so anders angefühlt hat, wie zuhause, nur eben den ganzen Tag und ich habe diesen Kontakt sehr genossen. Manchmal hat sie nach Heiko und Yuriko gefragt und unsere Erklärung, dass die zuhause seien jedesmal einfach hingenommen.
Interessant war das Ankommen. Da waren wir dann plötzlich 2 Tage völlig abgeschrieben. Ich hatte den Eindruck, gar nicht mehr von ihr wahrgenommen zu werden. Aus ihrer Perspektive nehme ich an, musste sie nun erstmal sicherstellen, dass die beiden Bioeltern nicht wieder „weggehen“, denn so kommt es in ihrem Universum möglicherweise an. Die übernächste Nacht hatte ich dann wieder mit ihr und um 5.45 Uhr wachte sie auf und fragte nach Yuriko und weinte dann, als ich ihr sagte, die schläft in einem anderen Bett. Das hatten wir noch nie. Da kamen bei mir Fragen auf, ob das , was wir machen, ihr gut tut. Sie wirkt sehr entspannt, wenn sie mit mir und Alex alleine unterwegs ist und dennoch ist die Reaktion beim Heimkommen so extrem. Stresst sie das Getrenntsein von den Bioeltern? Oder ist alles in Ordnung so? Ich glaube Letzteres und….

mit Kiko auf Reisen

Kiko ist ein sehr reisefreudiges Kind. Es war trotzdem aufregend, Kiko auf eine lange Überlandreise nach Irland mitzunehmen. Hinzu kam noch, dass Emma und ich zum ersten Mal alleine für 11 Tage mit Kiko unterwegs waren, ohne die anderen beiden (Bio-)Eltern. Wir sind mit der Bahn durch den Tunnel nach London, Übernachtung im Hotel, weiter mit Zug und Fähre nach Dublin, wieder Übernachtung im Hotel und am nächsten Morgen mit Mietwagen nach East Clare, ans andere Ende der Insel.
Interessant für mich war, dass Kiko die gesamte Reise über und auch während unseres Aufenthaltes in Irland zufrieden und sicher wirkte und kein Anzeichen von Heimweh oder Vermissen der anderen Eltern zeigte. Ab und an fragte Sie nach Yuriko und Heiko oder nannte uns beide sogar so, aber immer nur auf eine neugierige, da-war-doch-noch-wer Art und Weise. Aber Kiko nannte sogar mich auch ein paar mal Emma oder Mammi. Diese Begriffe scheinen austauschbar und bezeichnen anscheinend einfach nur eine wichtige Bezugsperson. Während des Reisens freute Kiko sich außerdem jedes Mal aufs Hotel und tobte immer erst einmal ein wenig im neuen Domizil herum.
Was auch noch auffällig war, dass Kiko des öfteren in Irland dafür sorgte, dass immer beide Erwachsene mit ihr kamen – Kiko sozusagen die Herde zusammenhielt. Bereits nach 2 Tagen hatte Kiko sich jedoch so weit an die neue Umgebung und die Menschen darin gewöhnt, dass Kiko auch zu anderen Kontakt aufgenommen hat. Das war für mich auch ein Zeichen dafür, dass sich Kiko sicher und geborgen gefühlt hat. Für mich persönlich war diese Reise ein weiterer wichtiger Schritt, meine Beziehung zu Kiko zu vertiefen. Zum ersten Mal so gefühlt hatte ich, als wir beschlossen, die Nächte einzeln mit Kiko zu verbringen, ohne die Bio-Mutter noch dabei. Die Angst, dass ich nicht genüge, wenn ich alleine längere Zeit mit Kiko zusammen bin, ist nun so gut wie verschwunden. Diese Angst rührte sicher zum großen Teil daher, dass ich nicht der Bio-Vater bin und Kiko im Alltag des öfteren eine größere Affinität für Heiko zu haben scheint, als für mich. Normalerweise bin ich nur 2 Stunden pro Tag alleine mit Kiko zusammen und zusätzlich jede vierte Nacht, selten mal einen halben Tag am Stück. Der nächste Bonding-Schritt für mich wäre dann wahrscheinlich mal, allein mit Kiko für ein paar Tage zu verreisen. Bisher haben das nur Heiko und Yuriko gemacht.
Da das Treffen in Irland ein Arbeitstreffen war, bin ich entweder mit Kiko zusammen oder mit dem Projekt beschäfigt gewesen. In dieser Situation hatten Emma und ich gefühlt nur ein paar Minuten hier und da für uns zwei. Ich frage mich, ob das für Kleinfamilien mit nur 2 Eltern der Normalzustand ist? Sicher entwickelt mensch dann irgendwelche Strategien, für mehr Partnerzeit. Für mich sind das bisher Ausnahmezeiten, so dass ich selbst noch keine Strategien entwickelt habe, für diese Art von Alltag.

PS: Wir hatten Vollmachten von den Bio-Eltern dabei, für die Grenze oder ähnliche Situationen. Es kam jedoch nur einmal, in Brüssel, bevor wir in den Eurostar nach London eingecheckt haben dazu, dass uns der belgische Beamte in Uniform gefragt hat, ob das unser Kind sei. Und obwohl ich die Vollmacht noch nicht einmal erwähnt, geschweige denn gezückt hatte, hat er uns durchgelassen. Wir hatten schließlich Kikos Pass dabei, vielleicht war das für den Grenzbeamten ausschlaggebend.
Wer weiß.

PPS: Wieder zu Hause spielt Kiko jetzt des öfteren „Verreisen“. Anscheinend findet Kiko Tapetenwechsel selbst auch sehr interessant.

Sehnsucht und Grenzabenteuer

Kiko ist jetzt seit 9 Tagen mit Emma und Alex auf Reisen. Es gab immer wieder kleine Updates per Email, die ich neugierig verschlungen habe. Sorgen habe ich mir keine Sekunde lang gemacht, aber vermisst habe ich alle drei schon. Jeden Tag ein bisschen mehr. Natürlich war es auch mal schön, mir meinen Tagesrhythmus ganz frei einteilen zu können, und Heiko und ich haben unendlich viele Folgen Battlestar Galactica geguckt. Aber so seit vorgestern ungefähr hab ich jetzt das Gefühl, dass es wirklich lang genug war, und jetzt vermisse ich vor allem Kiko wirklich sehr.

Der geht es auf der Reise sehr gut, den Berichten nach. Sie fragt zwar so etwa einmal am Tag nach Heiko und mir, aber ist dann auch mit der Erklärung, das wir beide zuhause sind und dort auf sie warten sofort wieder zurfrieden. Gerade habe ich mit Alex und Emma telefoniert, und Kiko hat im Hintergrund rumgequatscht. Irgendwann hat sie mitgekriegt, dass Emma mich an der Strippe hat, und hat gefragt: Kommt Yuriko gleich? Da habe ich schon ein bisschen Sehnsucht in der Stimme gehört, und mein Herz hat doll geschlagen. Aber als Emma sie dann gefragt hat, ob sie mit mir telefonieren will, ist sie lieber wieder in ihr „Haus“ unter einem Café-Klappschild gekrochen, um weiter zu spielen.

Ein kleines Abenteuer gab es anscheinend bei einer Grenzkontrolle. Alex und Emma sind ja als Kikos Eltern nirgendwo offiziell eingetragen. Sie hatten Kikos Pass dabei und von Heiko und mir jeweils eine englische Vollmacht, sowie Kopien unserer Personalausweise. An einer Grenze gab es dann wohl sehr kritische Nachfragen und Nervenkitzel bei Emma und Alex, aber das weiß ich auch nur von einer Nachricht auf dem AB – vielleicht werden die beiden ja was davon erzählen, wenn sie morgen Abend zurück kommen.
Morgen Abend! Nur noch einmal schlafen! Juchhu!

Mami!

Yupp, jetzt hat dieses Wort doch Einzug gehalten bei uns, und zwar in seiner in meinen Ohren zweitfiesesten Variante: Mami! (Schlimmstfies: Mutti, Drittfies: Mama). Kiko hat einfach ganz von allein damit angefangen. Und ich versuche mich jetzt erstmal damit zu entspannen und zu beobachten, wann sie eigentlich wen damit bezeichnet, und was dieses Wort für sie eigentlich bedeutet. Und das ist schon ganz interessant: Sie nennt uns nämlich alle Mami, auch Heiko und Alex. Und zwar immer dann, wenn sie Unterstützung für irgendwas haben will. Oder wenn sie so ein bisschen müde ist und Aufmerksamkeit möchte. Und manchmal hört es sich vom Tonfall her genau wie „Manno!“ an, wenn sie sich über irgendwas ärgert. Bisher reagieren wir einfach alle darauf, und außer mir fühlen sich die anderen auch nicht so unbehaglich damit, glaube ich. Bin mal gespannt, wann der erste neunmalkluge Mensch Kiko drauf hinweist, dass dieses Wort nicht für Heiko und Alex benutzt werden darf, weil die ja ihre Papis sein müssen. Dass sie sich Mama vielleicht irgendwann angewöhnen würde, war zu erwarten, weil fast alle Kinder um uns herum ihre Mutter (und oft Hauptbezugsperson) so betiteln, woher sie jetzt aber das Mami hat…Könnte sein, dass es von Heiko und Emma kommt, die ihre Mütter nämlich so ansprechen. Es ist auch definitiv erst regelmäßig aufgetreten, seit Kiko mit Emma und Alex bei Emmas Eltern war.

Sie scheint mit dem Wort „Mami“ tatsächlich die Eigenschaften einer sich kümmernden Person ansprechen zu wollen, und das finde ich ganz schön bemerkenswert, dass sie diese Rolle und ihre Bedeutungen so zielsicher aus der Sprache um sie herum aufgeschnappt hat.Genderunterschiede, gemischt mit Rollen, scheint sie übrigens auch schon zu machen, so nennt sie nämlich Emma und mich öfter mal „Emmayuriko“ oder „Yurikoemma“, auch wenn sie nur eine von uns gerade meint. Mit Heiko oder Alex bin ich noch nie vermischt worden. Allerdings albert sie auch manchmal herum und bezeichnet alle als eine_n andere_n von uns und schmeißt sich dabei weg vor Lachen. Gerade weil sie eigentlich sehr klar hat, wer von uns wie heißt, finde ich ihre speziellen Misch- oder Rollenbetitelungen ja so interessant.

Sie benutzt Mami manchmal auch als Kosewort, wenn sie sich einkuschelt, und dann höre ich eigentlich gar nicht auf das Wort, sondern nur auf die Zärtlichkeit, die dann mitschwingt, und in dem Moment ist es mir auch sowas von egal, wie sie mich nennt.

Interessant ist auch, wie unterschiedlich Emma und ich auf das Mami reagieren. Während sich mir meistens die Fußnägel hochrollen, wenn ich so genannt werde, meinte Emma zu mir, dass es sie berührt und freut, wenn Kiko sie so anspricht und es für sie ein weiteres Puzzleteil in ihrer Co-Mutter-Identität ist. Darin liegen die kleinen, feinen Unterschiede, zumindest in unserer Co-Mütter-Konstellation und -Beziehung: Bei mir gibt es ein „ich bin Mutter“-Gefühl, ohne dass ich so genannt werde, und das hat sich sicher nicht nur durch Schwangerschaft, Geburt und Stillen eingestellt, sondern das wird mir auch von unserer Umgebung ganz selbstverständlich überall gespiegelt, dass ich Mutter bin. Subtil oder weniger subtil machen viele in unserem Umfeld manchmal schon noch graduelle Unterschiede zwischen Emma und mir. Und irgendwie ist es für Menschen, die uns neu kennenlernen, meistens auch sehr wichtig zu fragen, wer von uns die leibliche Mutter ist.

Schon wieder Abschied

Und eine Woche später (nämlich gerade eben) gibt’s den nächsten Abschied. Diesmal fahren A-lex und Emma nicht nur für ein Wochenende weg (das hat übrigens bestens geklappt), sondern gleich für 11 Tage. Irland. Mit Zug und Fähre! Ein Arbeitstreffen, zu dem sie Kiko mitnehmen. Diesmal geht Yuriko noch mit zur Bushaltestelle, Kiko sitzt in der Kraxe auf ihrem Rücken, als ich die vier von dannen ziehen sehe… Ich komme wirklich deswegen nicht mit zum Bus, weil mir das zu traurig ist. Die Vorstellung, dass Kiko dann im letzten Moment lieber bei mir und Yuriko bleiben will, statt mit A-lex und Emma in den Bus zu steigen, ist einfach zu krass. Wahrscheinlich wird das auch nicht passieren, aber vielleicht ist das Gegenteil auch nicht leicht zu ertragen. Das hatte ich jetzt in einer milden Form – ich hab mich noch von Kiko verabschiedet, als sie auf meinem Schoß saß und wir ein letztes Bilderbuch zusammen angeschaut haben, ganz entspannt und ausgeschlafen. Dann hab ich sie in die Kraxe gesetzt, ich hab A-lex und Emma gedrückt und kurz darauf sind sie schon alle weggestiefelt – Kiko voll zufrieden in der Kraxe; keine*r dreht sich nochmal um. Ganz offensichtlich kommt Kiko auch mit drei Eltern zurecht – ich war ja auch schon alleine mit ihr weg, da hat auch ein Elternteil gereicht. Ja, wir teilen unser Kind, und manchmal gibt es tatsächlich Situationen, da sind wir einzelne deshalb nicht so lebenswichtig für sie.

Große Momente

Die anderen sind weggefahren, ich bleibe alleine zu Hause. Kiko fährt mit A-lex und Emma nach München, Yuriko fährt zu einer Freundin in der Pfalz, ganz allein in Norddeutschland bleibt Heiko. Ein ganz komisches Gefühl zwischen Glück und Sehnsucht, eigentlich vielleicht Traurigkeit: Als wir auf der Treppe stehen und uns von Kiko verabschieden. Yuriko wünscht ihr eine gute Reise mit A-lex und Emma, ich sage erst nur Tschüs und winke, Kiko winkt zurück und dann will ich doch noch näher zu ihr kommen und um einen Kuss bitten, den ich sogleich bekomme. Yuriko bekommt auch einen, dann hebt A-lex sie hoch und stapft mit Handkarren und Emma in Richtung Bushaltestelle. Er trägt Kiko weg und sie lässt es zufrieden geschehen, fängt gleich an, etwas zu erzählen und dreht sich nicht mehr nach uns um. Ich kann den Kopf nicht abwenden; als sie von der Veranda aus nicht mehr zu sehen sind, gehe ich ins Haus und erhasche noch einen Blick aus dem Fenster – Kiko schaut nicht zurück. Sie ist bei ihren Eltern, sogar bei zweien, und ist zufrieden. So konkret fühlt sich gemeinsame Elternschaft nur selten an.

Danach räume ich die Küche auf: Stofftiere, Bücher, Malkreiden, Plastikfläschchen mit Plastikbuchstaben gefüllt, Papierschnipsel, Tupperschüsseln, Küchensiebe, ein Topf und die von A-lex auf Papier gemalte Herdplatte. Den Rest Dinkelmilch in ihrem Fläschchen und zwei angenagte Äpfel nehme ich mit in mein Zimmer, Äpfel esse ich im Laufe des Vormittages und die Milch kommt später in den Kaffee. Die anderen haben mir jeweils drei ganz tolle Tage allein gewünscht – ich werde sicher gut arbeiten können. Aber ich werde vor allem auch merken, was wir so ganz alltäglich für ein gutes Leben haben als Eltern mit Kind.

Wir haben es ja geschafft, nicht mal über unseren gemeinsamen Gemely-Urlaub zu bloggen. Wir sind mit dem Zug weit nach Italien gefahren, noch südlich von Rom. Hat alles bestens geklappt. Sandburgen gebaut, Pasta gegessen und viel gesehen. Spaziert und gelesen und ganz entspannt mit Kiko gewesen. Die gemeinschaftlich gesehen spannenden Herausforderungen liegen vor uns: Eine unserer Mitbewohnerinnen ist schwanger und nächstes Jahr wird es ein weiteres Kind geben. Der Vater lebt nicht in unserer Gemeinschaft, deswegen ist nicht ganz klar, wie das aussehen wird, aber wahrscheinlich wird das Baby meistens in unserer Gruppe sein und für Kiko so was wie ein Geschwisterkind sein. Es ist noch eine Weile hin und vielleicht können wir sie ja dafür gewinnen, darüber zu schreiben, wie es sich anfühlt, neben uns ein Kind zu bekommen. Wir haben auch angeboten, sie irgendwie in unser „Konzept“ zu integrieren, aber das scheint nicht angesagt zu sein. Joel wird dann der einzige Mensch in der Gruppe sein, der nicht verbindlicher Elternteil (im Sinne von festen Absprachen) ist (sie hat schon einen richtig guten Draht zu Kiko!), und sie hat bereits ausgesprochen, dass sie das Verschwinden der letzten reinen Erwachsenen-Räume befürchtet. In letzter Zeit haben wir dieser Gefahr etwas entgegengesteuert und zum Beispiel endlich mal Kinderbetreuung organisiert. Unsere wöchentlichen Treffen finden seit wenigen Wochen tatsächlich ohne Kind statt. Das ist uns offensichtlich schwergefallen, Kiko wegzugeben, jetzt ist sie zwei Jahre alt und macht die ersten Babysitting-Erfahrungen.
Wenn dann aber noch ein Kleinkind da ist, wird der Anspruch auf reine Erwachsenenräume jedenfalls herausgefordert. Ich würde mir wünschen, dass wir an diesem Anspruch nicht festhalten, sondern eher lernen, auch mal zwischendurch Entscheidungen zu treffen und (vielleicht nicht mit allen) emotionale Räume zu pflegen, ohne diese reinen Erwachsenenrunden einzufordern. Mit dieser Forderung machen wir uns wahrscheinlich nicht glücklich. Wenn ich das schreibe, hat das allerdings einen vielleicht bitteren Beigeschmack für die anderen, weil ich in unserer Gruppe sowieso schon immer meine Schwierigkeiten mit ritualisiertem emotionalen Austausch habe – aber wie soll das gehen, entspannte Räume für Erwachsene mit Babys und Kleinkindern in der Gruppe? Vielleicht hab ich mich auch noch nicht genug damit angefreundet, dass sich andere um unsere Kinder kümmern. Komisch, oder, dass ausgerechnet ein Co-Vater Probleme damit hat, sein Kind von anderen betreuen zu lassen…?

Rückblick

Bald ist unsere Tochter zwei Jahre alt, solange sind wir also schon Eltern. Es hat mein Leben insofern verändert, als dass es da jetzt immer eine Verantwortung gibt, die mitgedacht werden will. Und es gibt immer wieder Zeiten in meinem Leben, da muss ich ganz anders denken als in der Erwachsenenwelt. Da sind plötzlich raschelnde Sachen, Löcher im Sand, alles was mit Wasser zu tun hat und sämtliche Tiere interessant – statt E-Mails, Deadlines und zufriedene Kund_innen.

Dadurch, dass wir Kiko zu viert aufziehen, habe ich beides weniger oft als andere Eltern, empfinde es aber trotzdem schon als Herausforderung. Auch, wenn diese Herausforderung mehr als aufgewogen wird durch diese unglaubliche Präsenz, die Kiko in meinem Leben darstellt – eine Präsenz, die mich mein Leben intensiver spüren und hinterfragen und leben lässt. Im Gegensatz zu Meditation oder Yoga oder Rückenübungen (zu diesen Dingen kann ich mich nicht aufraffen) kann ich mich vor Kiko nicht drücken, und wahrscheinlich ist das gut.

Wenn ich überlege, wie die letzten zwei Jahre mit ihr waren, habe ich erstaunlich wenig Erinnerungen an ihre jeweils letzte Entwicklungsphase. Wie war das, als sie noch nichts sagen konnte??? Noch nicht laufen??? Ich weiß es kaum noch. Sie ist da, heute, gerade, und fordert mich JETZT (das ist wohl der Grund, noch weitere Kinder zu kriegen).

Kiko sagt jetzt immer ganz routiniert Tschüss, wenn die Eltern wechseln. Aber sie ist auch launisch und macht ganz schön Rabbatz, wenn sie was nicht will. Um ein bisschen heulen hier und da kommen wir überhaupt nicht herum, das scheint absolut dazuzugehören. Es gibt keinen Grund, sich davor zu fürchten. Das macht es wiederum leichter vorstellbar, doch ein paar Routinen reinzubringen, was das Essen oder schlafen gehen angeht. Wenn Kiko sowieso irgendwann heult (wenn sie nicht schlafen oder Zähne putzen will oder aus/umgezogen werden muss), dann kann sie auch heulen, weil wir ihr eine Struktur vorgeben, die ihr letztlich oder langfristiger auch gut tut.

Seit Yuriko nicht mehr stillt, scheint Kiko sich mehr für Emma zu interessieren. Kann das wirklich sein? Wir beobachten es. Yuriko scheint jedenfalls ganz froh darüber zu sein und hat neulich Gin Tonic mit mir getrunken (Alkohol, wieder erlaubt!). Ich finde das auch gut. Nach meinem 8-Tages-Einsatz habe ich mich mit den zwei Stunden täglich etwas schwer getan, allerdings nicht, weil es mir zu wenig war, sondern eher, weil ich die zwei Stunden umschalten (s.o.) nicht mehr so gut hinkriege. Ich wollte Kiko ja mal halbe Tage lang nehmen und dann immer im Wechsel einen Tag nicht, fällt mir ein. Vielleicht geht es jetzt in diese Richtung, dann kann Kiko auch mehr mitlaufen im Alltag, als dass ich sie zwei Stunden zu bespaßen versuche…

1/1-Vater wieder da

Nach der ersten Nacht wieder allein, ich hab geschlafen wie ein Stein, habe ich Kiko gleich so ein bisschen vermisst und es hat sich auch ein wenig so angefühlt, als ob mir die Verantwortung fehlt, die ich die letzten acht Tage für sie zu tragen hatte. Wir haben viel erlebt – ich habe meiner Gemely in den wachen Nachtstunden immer haarklein per E-Mail erzählt, wann und wie die Kleine Pipi und Kacka gemacht hat (das geht nämlich jetzt mit Töpfchen und so; selbst im Zug sind wir immer aufs Klo gegangen und sie durfte dann den Knopf drücken zum Spülen; das Händewaschen danach war auch ein wichtiges Ritual), wie sie sich mit ihrem Babycousin und den anderen Kindern verstanden hat, die wir besucht haben (ganz gut, aber durchzogen von „meine meine!“-Anwandlungen) und was wir so erlebt haben (selber mit Schwimmflügeln im Schwimmbad im tiefen Wasser gestrampelt, Kühe gesehen, Pfützen zertrampelt, Zug gefahren (gestern 10 Stunden!), Opa getroffen, Boote gesehen, Ringereihe getanzt, geschaukelt und geturnt…). Ich habe also schon viel Bericht geschrieben und will jetzt lieber nochmal schauen, was das für mich bedeutet hat. Ich war ja Wochen vorher schon aufgeregt. Und gestern im Zug, als ich es sehr anstrengend fand (Kiko war eigentlich die ganze Zeit gut drauf, hat gefuttert, geturnt und gespielt), hab ich auch gedacht: „Warum tu ich mir den Wahnsinn an?“ Ich bin ja gar nicht dazu gekommen, was für mich zu tun, außer Krimi zu lesen, wenn Kiko tagsüber geschlafen hat (45min bis 2 ½ Stunden täglich) oder nachts ein bisschen zu schreiben oder mal zu duschen. Immer nur gucken: was braucht das Kind? Weil ich genau weiß, dass es mir auf jeden Fall schlechter geht, wenn sie unglücklich ist und ja niemand anderen hat als mich, um Trost zu suchen. Also will ich immer lieber eine zufriedene, ausgeschlafene Kiko als selber auf einen Berg zu steigen, wenn sie nicht mitwill.
Aber: Insgesamt war es auf jeden Fall eine sehr lohnende Bemühung. Es war schön mit ihr, ich habe die Zeit und eben auch die Orte und Leute, die wir besucht haben, sehr intensiv erlebt, und ich bin zufrieden mit mir. Ich bin wahrscheinlich der, der mich gerade am meisten dafür bewundert, dass ich das so gemeistert habe – aber das reicht ja auch. Ich habe mal mitbekommen, wie sich die Tage aus Kikos Sicht so anfühlen, was für eine Fülle von Eindrücken das sind, sie ihr begegnen, und wir hatten einfach einen schönen Kontakt, immer wieder – zwischen den langen Strecken, in denen Kiko ganz einfach ihr eigenes Ding gemacht und mich höchstens mal zwischendurch gebraucht hat, um eine störrische Decke auseinanderzufalten oder ihr aus einer Kiste wieder rauszuhelfen, in die sie sich hineingesteckt hatte.

Kiko hat auf der ganzen Reise übrigens gar nicht nach den anderen Eltern gefragt. Yurikos Namen habe ich nicht erwähnt und auch alle anderen Anwesenden gebeten, es nicht zu tun. Vielleicht war das eine unnötige Vorsichtsmaßnahme, aber ich hatte echt Sorge, dann nicht mehr zu genügen, wenn sie plötzlich die Biomutter vermisst. Gestern im Zug habe ich ihr dann erklärt, dass wir am Abend A-lex, Emma und Yuriko wiedersehen werden… Und auch, dass es bei Yuriko jetzt keine Milch mehr aus der Brust zu trinken gäbe (die sonst so wichtige „Mimi“). Das hat sie sehr entspannt zur Kenntnis genommen, und auch das Wiedersehen war entspannt. Sie hat sich gefreut, die anderen wiederzusehen, besonders Yuriko, aber sie ist auch nicht ausgeflippt. Sie war auch die ganze Woche voller Vertrauen, dass ihr weiterhin Gutes passiert und dass es überall, wohin sie geschleppt wird, was zu Entdecken gibt.

Den zweiten Teil meiner Reise habe ich bei einer Familie mit zwei Kindern verbracht, von denen eins so alt ist wie Kiko. Mit zwei Kindern und nur zwei Eltern ist das Leben natürlich anstrengender als bei uns und die Kinder bekommen nicht ganz so viel Aufmerksamkeit wie Kiko – und das ist ja für uns und unsere Beobachter_innen ja oft auch eine Frage, ob Kiko nicht zu viel Aufmerksamkeit bekommt – und auch mehr Regeln vorgesetzt. Das habe ich schon auch gemerkt, dass Kiko da ein ganz schöner Freigeist ist, die z.B. das Essen auch unterbrechen und später wiederkommen darf, während es für andere vorbei ist, sobald sie aufgestanden sind. Ich erlaube ihr auch, auf dem Hochstuhl herumzuturnen oder auf dem Sofa wild herumzuhüpfen, wenn sie nicht gerade müde und unkonzentriert ist. Ersteres, weil mir egal ist, wie lange das essen mit ihr dauert, wenn eh ich verantwortlich bin, zweiteres, weil ich durch die viele regelmäßige Zeit mit ihr sehr genau weiß, was sie kann.
Es gibt aber auch Sachen, da machen wir die Sache eventuell komplizierter als nötig, durch unsere Vierer-Entspanntheit, und zwar vor allem das Zu-Bett-bringen. Das dauert bei uns lange bis ewig, es passiert sehr spät (manchmal erst gegen 21:00 Uhr) und es ist einfach nicht damit getan, Kiko hinzulegen und dann wieder zu gehen. Joel hat schon öfters leise angemerkt, dass andere das effektiver hinkriegen, aber bisher scheinbar Hemmungen gehabt, uns konkret zu sagen, was sie anders machen würde: das frag ich sie demnächst mal.
Jedenfalls: Nach sieben Nächten hintereinander war das Insbettbringen das, was mich am meisten genervt hat. Dass aus dem herumturnenden Duracell-Häschen jemals ein leise schnaufendes Müderle wird, das scheint jeden Abend aufs Neue ungewiss, aber da ich zu Hause nur alle vier Nächte mit diesem Problem zu tun habe, ist es dort nicht so groß. Da könnten wir uns vielleicht darauf einigen, irgendwie… (bitte hier selbst Metapher suchen… im Sinne von „die Zügel anzuziehen“, aber gewaltfreier und konstruktiver).

Die letzte Nacht hat Yuriko mit Kiko gemacht und beide habe ich vorhin recht ausgeschlafen und zufrieden getroffen. Alles wieder beim Alten also. Wir sind wieder zu Hause, ich schreibe vormittags allein an meinem Computer, Kiko ist anderweitig versorgt. Und doch sehe ich der wartenden Schreibtischarbeit etwas gleichgültiger entgegen als noch vor einer Woche…