Co-Elternschaft und Überforderung … wie das?

Schwierig einen Blogeintrag zu schreiben, der nicht reagiert auf Heikos Eintrag. Aber ich hab es schon lange vor und finde es auch gut, Euch teilhaben zu lassen an meinen Schwierigkeiten mit der Co-Elternschaft.

Grundsätzlich habe ich kein Thema mit meiner Co-Elternschaft. Ich bin (so ich nicht so doll krank bin wie in den letzten 3 Monaten) gerne mit den Kindern zusammen und übernehme gerne Verantwortung in der Familie und im Haushalt. Seit drei Tagen geht es mir besser und ich kann das gerade wieder neu tun. Das Zusammensein mit den Kindern ist meistens entspannt für mich (bis auf die üblichen Engstellen, wie Anziehen, ausziehen, streiten, Zähneputzen natürlich). Ich hab die drei richtig lieb und erfreue mich an ihrem Wachstum.

Ich gerate aber immer wieder an meine Grenzen, wenn es um das Familienleben zu siebt geht. Schon lange fällt mir auf, dass ich viel entspannter bin, wenn ein Familienmitglied verreist ist oder gar wir Erwachsenen „nur“ zu zweit sind. Die gemeinsamen Familienurlaube waren für mich bisher eher wenig erfreulich, bei den beiden zweiwöchigen Urlauben im Allgäu lag ich jeweils eine Woche im Bett. Weil ich das anders wollte hatten wir im letzten Urlaub nur ein gemeinsames Wochenende in den 2 Wochen, davor und danach waren die beiden Paare allein mit den Kindern. Für mich war das super. Nicht aber für Heiko und Yuriko. Dieses Jahr soll es wieder eine gemeinsame Woche mit allen geben und ich freue mich nicht darauf. Genauso geht es mir mit Familientagen. Und ich kann gut verstehen, dass anderen in der Familie das wichtig ist.

Da mich meine Gesundheit drängelt (ich bin seit Ende 2018 mit längeren Krankheitsphasen gesegnet, ein Rückfall nach dem anderen), frage ich mich nun also, warum das so ist. Ich bin ein Mensch mit stets auf Empfang gestellten Antennen, wie auf „Hab acht“. Ganz einfach gesagt, bin ich überfordert, wenn zu viele Menschen im Familiensystem im Raum sind. Dann schneide ich mit, wie A auf B reagiert und wie dann eins der Kinder reagiert, dann sende ich wahrscheinlich Signale, auf die C reagiert, worauf wieder ich reagiere usw.. Ich vermute, die Dynamik unter den Familienmitgliedern ist ein „zu viel“. Dass die schrillen Stimmen dann anstrengen, die Küche für meinen Geschmack zu chaotisch und zu dreckig ist, kommt dann obendrauf und ich frage mich: will ich so leben?

In mir wächst das Gefühl von „ich will mein Leben leben“ und da wird es spannend. Leicht sagt sich dahin, „ja wenn nur die anderen nicht, dann“…..das Gefühl von Fremdbestimmtsein. Immer ist es sooo kompliziert Themen mit der gemely zu klären, bis wir uns mal treffen und dann fällt mein Thema hintenrunter undundund. Leicht entstehen bei mir Fluchttendenzen und der Traum von einem selbstbestimmten Leben ganz woanders, in dem die Kinder zu mir kommen und ich bestimmen kann, wie es da aussieht und läuft.

Ja, aber ich lebe doch immer jetzt „mein Leben“ und was trage ich dazu bei, dass ich scheinbar andere darüber entscheiden lasse? Ein Beispiel: ich hatte schlimme Schlafprobleme in letzter Zeit und lag jede Nacht wach, die ich die Kinder hatte (wir schlafen dann im gleichen Bett), also jede zweite Nacht. Also dachte ich, wir müssen unbedingt mal drüber reden, dass die Kinder lernen , alleine zu schlafen. Dann war Weihnachten, Kranksein, Urlaub, wieder Kranksein…..das letzte gemelytreffen ist ewig her. Bis ich endlich auf die Idee kam, das einfach für mich alleine zu lösen und in einem anderen Bett im Nachbarzimmer zu schlafen und das klappt prima.

Ich spreche oft Sachen nicht an, weil ich mir vorher schon soviele Gedanken mache, was die anderen dazu sagen und denken würden. Auch damit trage ich dazu bei, dass ich nicht das lebe, was ich möchte und behalte den anderen wichtige Informationen vor. Ich möchte geliebt werden und Erwartungen anderer erfüllen und so fort. Daraus entsteht, dass es für mich schwer ist, mich im Familienumfeld überhaupt zu spüren, geschweige denn zu sagen, was ich brauche. Es tut mir leid, dass es so ist und ich schaue mir das an. Ob ich das ändern kann, wird sich zeigen. Auf jeden Fall gut, dass mich das Familienleben mit der Nase darauf stößt.

Ich habe lange gebraucht, um dahin zu kommen. Letztes Jahr war ich 4 Monate krank und es war für mich schon ein Riesenschritt, überhaupt nur zu denken, das sich mein Platz im Familiensystem irgendwie ändern lässt, dass es Möglichkeiten gibt. Ich habe gemerkt, dass ich selbst die Idee von „wir müssen alle gleichviel beitragen und immer da sein“ internalisiert hatte (obwohl da die Realität schon anders aussah) und andere Ideen nicht mal gedacht werden durften. Viel verändert hatte sich dadurch noch nicht. Dieses Jahr bin ich endlich soweit, Veränderungen vorzuschlagen und umzusetzen, um wieder ganz da sein zu können, ohne wieder krank werden zu müssen.

Um aus der Überforderungsschleife rauszukommen und auch Bedürfnisse zu nähren, die anstehen (z.B. Raum und Zeit für die Malerei zu haben, anderen Menschen zu begegnen), habe ich mir folgende Strategien ausgedacht: ich werde ca. 2 Tage in der benachbarten Stadt verbringen, wo ich ein Atelier gemietet habe. Und ich werde bis zu einer Mahlzeit täglich in einer befreundeten WG essen, wenn das geht. Ich merke jetzt nach 3 mal schon, wie gut mir das tut. Habe auch kein Thema damit, meine Abwesenheit bei den Mahlzeiten durch andere Kinderzeiten auszugleichen oder wenn andere dieses Privileg auch für sich in Anspruch nehmen wollen, eine Lösung zu finden.

Meine Prozesse ruckeln im Familiensystem und ich glaube das ist gut. Es gibt Gespräche und vielleicht schaffen wir es, uns demnächst mal mit Hilfe von außen anzuschauen, warum es diese Themen der Überforderung und Anstrengung gibt ( da bin ich ja nicht die einzige). Ich wünsche mir das für uns und v.a. unseren Kindern zuliebe, denn die sind diejenigen, die die unterschwelligen Spannungen aufnehmen, ohne zu wissen, was da passiert.

Danke fürs Lesen

Emma

Schadensmeldung

In der Praxis ist es vielleicht nur eine unwesentliche Veränderung, was Emma sich zuletzt ausgedacht hat – aber es mischt uns ordentlich auf, macht (mir) Angst und verändert, meiner Wahrnehmung nach, drastisch die Familienstimmung. Ich will auch nicht viel über sie schreiben, sondern über die Veränderung in der Gemely und wie es sich für mich anfühlt.

Die konkrete kleine Veränderung ist, dass Emma an manchen Tagen der Woche jetzt nicht mehr mit uns anderen drei Eltern und den Kindern zusammen zu Mittag isst, sondern sich eine andere WG im Dorf gesucht hat, mit der (in deren Küche) sie diese Zeit verbringt.

Sie ist seit drei Monaten krankgeschrieben und schon seit einem halben Jahr mit diversen Symptomen unterwegs – von körperlicher Schwäche bis zu wiederkehrenden Erkältungen – und zum Schluss gekommen, dass unser Familienleben ein wichtiger Auslöser für ihre Krankheit ist. Als Yuriko und ich mit den Kindern neulich eine Woche weg waren, ging es ihr besser, als wir wiederkamen, wieder schlechter (obwohl ich nach unserer Rückkehr zwei Wochen mit Mittelohrentzündung im Bett lag und in der Familie völlig abwesend war). Das hat sie auch früher schon beobachtet. Jetzt isst sie mittags mit anderen Erwachsenen, kein Geschrei, weniger Chaos, sie merkt, dass es ihr damit besser geht.

OK, das könnte man jetzt auch so stehen lassen. Hauptsache, Emma wird wieder gesund. Sie stellt die Gemely oder ihre Elternschaft auch nicht in Frage, wie sie sagt.

Es ist halt, laut Emma, anstrengend bei uns. Und: Das liegt auch daran, dass wir uns nicht genug um unsere Beziehungen kümmern. Emma hat festgestellt, dass die vielen ungeklärten Probleme zwischen uns die Stimmung vergiften. Sie ist nicht gut darin, so was anzusprechen und zu klären, sie zieht sich das alles rein, und davon wird sie krank.

Es ist dann doch nicht so einfach, das so stehen zu lassen. Denn auf einmal wurde aus einer rätselhaften Krankheit einer Person ein verkorkstes System, zu dem ich selbst beitrage. Und obwohl ich selbst gute Erfahrungen mit Therapie gemacht habe, bin ich nicht bereit, mir diesen Schuh anzuziehen. Auch wenn ich manchmal ungeduldig bin, andere Vorstellungen von Gerechtigkeit habe oder skeptisch gegenüber esoterischen („alternativen“) Methoden, Behandlungen und Heilmitteln bin – ich halte mich für einen fairen und zuverlässigen Spieler in unserem Viererteam. Wie jede Gruppe würde uns eine regelmäßige Supervision nicht schaden. Aber wir brauchen sie, finde ich, auch nicht mehr als andere Gruppen. Das Wichtigste, was wir einander zu bieten haben, ist unsere gemeinsame Aufgabe.

Ich habe in diesem Blog schon drüber geschrieben, wie man auch mit unterschiedlichen Menschen klarkommen kann, mit denen man es eigentlich nicht so einfach hat, wenn man sich zusammen auf ein Ziel einschwört. Immer wieder stelle ich fest, wie viel Respekt ich vor allen Gemely-Mitgliedern habe, weil wir zusammen diese Kinder begleiten, mit einer Vision, mit Liebe, Toleranz und manchmal (wenn die Nerven arg gespannt sind und alle drei herumflippen) zusammengebissenen Zähnen. Natürlich ist es anstrengend, manchmal. Die Kinder sind klein, singen, tanzen, springen, vor, nach und während des Essens.

Was kann ein Elternteil tun, wenn Familie zu anstrengend ist?

Darf das überhaupt sein?

Das sind Fragen, die mich beschäftigen. Am Liebsten will ich diese Fragen gar nicht erst stellen und wahrscheinlich bin ich aufgewühlt und sogar wütend, weil Emma es tut. Meine Mutter hat zwei kleine Jungs allein großgezogen und ich bin mir sicher, dass es ihr zu anstrengend war. Manchmal war sie krank, es ging ihr hundeelend, und trotzdem hat sie uns für die Schule klargemacht und später ein Mittagessen gekocht. Und dann ist da Emma, nach außen hin funktionstüchtig, im Dezember erst drei Wochen „Auszeit“ genossen, hat Spaß mit den Erwachsenen in der anderen Küche und richtet sich gerade ein neues Atelier ein, das ebenfalls genügend Abstand zur Familie haben wird – und findet es zu anstrengend. Es fällt mir super schwer, das zu hören und zu akzeptieren, ich gebe es zu. Da hab ich einen blinden Fleck. Das darf bei mir scheinbar irgendwie nicht sein, dass bei allen Veränderungen auch nur im Mindesten an der Variablen „Elternschaft“ gedreht wird; genau das passiert aber, wenn Emma jetzt beim gemeinsamen Mittagessen mit den Kindern fehlt. Es ist irrational von mir, stimmt schon. A-lex hat zwei Jahre lang nicht mit uns gegessen, weil er mittags in der Firma war. Ich habe nach unseren Arbeitszeitvereinbarungen nur einen festen Nachmittag unter der Woche die Kinder, also eh schon halb so viel wie Emma. Dazu kommt, dass wir auch gut zu dritt oder zu zweit (diese Woche ist Yuriko beispielsweise sechs Tage am Stück arbeiten) mit den Kindern essen können.

Und doch, ich reagiere so giftig auf Emmas Maßnahme. Warum?

Weil ich neidisch auf sie bin und auf das, was „sie sich rausnimmt“?

Weil ich als notorischer Besserwisser nicht gutheiße, was sie sich ausdenkt, um wieder gesund zu werden?

Weil ich ihr unterstelle, viel mehr an sich zu denken als an uns und die Familie?

Vielleicht sollten wir uns unsere Beziehungen untereinander doch noch mal ein bisschen genauer anschauen…