Das Kinderglück ist groß. Aber insbesondere das Zwillingsglück kann ich schlecht beschreiben, es gleitet mir durch die Finger und häufig fürchte ich, dass ich in ein paar Jahren ganz vergessen haben werde, was für ein Spaß zusammen mit der Anstrengung einhergeht. Diese großen Augen von Noam, wenn er mit mir tobt und weiß, dass er gleich gekitzelt wird, weil er (so geht halt das Spiel) meinen Kragenreißverschluss wieder aufgemacht hat, nachdem ich ihn geschlossen habe. Die Begeisterung von Ta, wenn er entdeckt hat, dass das abendliche Matratzentoben begonnen hat und sich ohne Zögern mit einem fröhlich schreienden Stimmchen dazustürzt.
Und dass jeder Tag neu ist, immer alles anders. Nach einigen Wochen schlimmer Wutanfälle von Noam beim Anziehen lässt er jetzt geduldig singend über sich ergehen, dass ich ihm den Schlafanzug anziehe (hohe Kunst der Elternschaft – jeder Schlafanzug ist völlig anders konstruiert), während Ta das Licht auszumachen versucht und es dabei immer wieder anschaltet. Arm- und Beinlöcher suchen im Blitzlichtgewitter. Und dann darf, ja soll ich Noam sogar noch zudecken, obwohl er sich nachts gegen jede Decke wehrt.
Neulich wollte Noam partout nicht hoch ins Obergeschoss (ins Bett), hat in Yurikos Arm getobt und geschrien. Dann hab ich ihm was ins Ohr geflüstert (was er wahrscheinlich noch nicht mal verstanden hat; es ging um einen großen weißen Kuscheleisbär, der Kiko gehört und oben wohnt) und zu Yurikos endloser Überraschung hat er seinen Wutanfall sofort eingestellt und ist bereitwillig auf meinen Arm geklettert – als hätte er sich mit mir den Spaß machen wollen, Yuriko zu verblüffen.
Oder ich bring die beiden allein ins Bett, es ist schon alles dunkel, Noam ist fast eingeschlafen, da klettert Ta aus dem Bett in die Dunkelheit und kommt ohne den einschlafkritischen Schnuller, dafür mit einem einzelnen Lego-Rad zurück. „Bauen“, erklärt er, während ich die Augen verdrehe, weil ich jetzt im Dunkeln den Schnuller suchen muss. Egal, wie viele wir kaufen, sie verschwinden alle.
A propos kaufen: der oben erwähnte Rieseneisbär war mal ein Geschenk an Kiko und lebte etwa zwei Jahre unbespielt in ihrem Bett. Als sie ihn eines Abends rüber zum Zwillings-Schlaflager schleppte, war das Liebe auf den ersten Blick, vor allem bei Noam. „Großer Bär“, „Kuschelbär“ war morgens das erste und abends das letzte, was er sagte. Und weil die große Schwester alles (wieder) ganz toll findet, was die Zwillinge entdecken, beanspruchte sie den Bären jetzt oft exklusiv für sich. Das laute Weinen ihrer Brüder konnte sie da gar nicht beeindrucken (was interessant ist, nebenbei bemerkt, denn oft heult sich ja auch einfach los, wenn ihr etwas nicht passt, und ich denke mir dann: ‚Hallo? Ich hätte genauso viel/wenig Grund, jetzt loszuheulen, ich mach es nur nicht, weil ich erwachsen bin.’ Wenn Kiko das Weinen der Brüder nicht ernst nimmt, dann vielleicht, weil sie weiß, dass es nicht mehr zu bedeuten hat als ‚das passt mir jetzt nicht’ – das würde nahe legen, ihrem Weinen auch nicht so viel Bedeutung beizumessen…).
Jetzt hat Yuriko einen zweiten, fast identischen Eisbären gekauft, gebraucht per Kleinanzeige gefunden – und das Glück ist immer noch nicht vollkommen, weil Noam den jetzt oft genug alleine braucht und Ta, der immer nachgibt, dadurch weinend und bärenlos bleibt.
Hab ich also vorhin einen dritten Bären dieser Art ersteigert. Es ist irre.
Überhaupt habe ich gerade jeden Tag den Eindruck, es würde heute wieder ein bisschen lauter und verrückter zugehen bei uns als gestern. Vorhin beim Abendessen (Kinder schon nicht mehr am Tisch zu halten) hat sich Noam das Spiel ausgedacht, sich die Strumpfhose runterzuziehen und uns dann leidend anzujammern „Hose“, bis einer von uns Eltern sie ihm wieder hochgezogen hat – dann dasselbe von vorn. Davon ließ sich Kiko inspirieren und hat sich gleich fast ganz ausgezogen. So rannten die zwei mit ohrenbetäubendem Getöse in der Küche herum, und Ta hinterher, der sich von einem nackten Bauch oder Po immer begeistern lässt.
In solchen Momenten sitzen wir Eltern dann irgendwann auch nur noch da, versuchen endlich mal was zu essen und warten, dass irgendein Kind dann doch mal stolpert und losweint – ich hab mich schon ein paar Mal dabei ertappt, diese Momente als willkommenen Tobe-Break zu sehen. Das natürliche Ende des Herumflippens scheint weinen und trösten zu sein. Danach geht es ruhiger weiter…