heute feiern wir geburtstag, darum singen wir ein lied

heute vor drei jahren um diese zeit ging es nach vier tagen krankenhaus und wehenhemmung wieder los, und ich habe den anderen eltern bescheid gesagt, dass sie jetzt besser in die klinik kommen sollen. damals war ich an dem tag so vollauf mit geburt beschäftigt, dass ich weiter über gar nichts nachgedacht habe. so etwa zwei nächte später gab’s dann bei mir plötzlich eine art kleinen schock, als ich plötzlich dachte „was habe ich getan? ich habe 3-4 leute geheiratet!!!!!“. wenn mir damals eine_r hätte sagen können, wie es jetzt nach drei jahren läuft, hätte ich in jener nacht bestimmt besser geschlafen!

ja, das kleine kiko-wesen ist jetzt also schon drei jahre alt. und hat eine eigene meinung, wie so ein geburtstag verlaufen soll! wir eltern hatten uns gedacht, heute morgen erstmal noch langsam zu machen, weil es ja dann im kindergarten schon geburtstags-action gibt, beim kindertanzen dann nochmal, und dann halt im anschluss daran zu feiern, mit den von kiko gestern selbst verzierten muffins, mit geschenken und mit den leuten aus ihrem direkten umfeld.
aber als kiko heute morgen in die küche kam, schielte sie als erstes neugierig auf den küchentisch, wo eine kerze für sie brannte, und sagte dann: „machen wir jetzt meinen geburtstag? kann ich mein geschenk auspacken?“ und die muffins, fand sie, sollte es auch schon zum frühstück geben.

in so einem moment ist blitz-verständigung und improvisation mit vier eltern gleichzeitig gefragt. sah dann so aus, dass es einen muffin zum frühstück gab, alle sich um den frühstückstisch versammelt haben und ein geburtstagslied gesungen wurde. wobei die feinabstimmung noch verbessert werden könnte: emma war grad draußen, als wir uns auf ein lied geeinigt haben, und als sie wieder rein kam, meinte heiko: „ja, jetzt können wir lossingen!“ – und er und emma stimmten beide gleichzeitig voll inbrünstig zwei verschiedene lieder an. großes gekicher, vor allem bei kiko, und dann hat der zweite anlauf geklappt. kiko hat sehr ernsthaft gelauscht und keine miene verzogen, und wollte dann, dass wir „bis der kindergarten vorbei ist!“ weitersingen. vom muffin wurde nur die deko angeknabbert, dann wollte kiko lieber doch das übliche frühstück, und das thema geschenk war irgendwie erstmal gar nicht mehr wichtig.

ich selbst kriege jedes jahr an kikos geburtstag einen kleinen rührseligen anfall. an diesem tag damals fing etwas völlig neues in meinem leben an. bis zu kikos geburt war alles noch theorie, dann plötzlich realität. und mit kiko ist nicht nur ein kind in mein leben getreten, sondern zusätzlich noch eine ganze familie. und da fehlen mir schlicht die worte, um auszudrücken, was mir das bedeutet.

poly-co-eltern

Vor ein paar Tagen habe ich einen sehr interessanten Online-Tipp bekommen: Dani, Melinda und Jon leben in einer Poly-Beziehung und beeltern gemeinsam zwei Kinder, die im Abstand von einem Monat von Dani und Melinda geboren wurden. Ihr Online-Auftritt „looks like love to me“ (englischsprachig) ist wesentlich aktiver als unserer. Sie bloggen und machen immer wieder kleine Filme über ihren Alltag und verschiedene Themen und arbeiten kontinuierlich an einem größeren Filmprojekt. Auf der Seite ist auch ein interessanter und unerwartet wertfreier und aufgeschlossener US-Fernsehbericht von ABC-Nightline verlinkt. Sie waren im Mai auch schon bei RTL aktuell zu sehen – leider kann ich den Bericht dort im Archiv nicht finden.

Wir haben uns ja entschieden, nicht mit unseren Realnamen in der Öffentlichkeit aufzutreten – zumindest so lange nicht, bis unsere Kinder sich damit auch selbst einverstanden erklären können. Dadurch, dass Dani, Melinda und Jon das tun und auch sehr viel filmen, ist es möglich, sie recht direkt mitzukriegen, was ich mutig und berührend finde, und was ihren Webauftritt natürlich auch dichter als unseren macht.

Super interessant finde ich auch den Aspekt ihrer Poly-Beziehung, und inwiefern das Einfluss auf ihre Familiengestaltung nimmt. In unserer Konstellation sind wir ja zwei Paare. Heiko und ich leben eine hetero-pansexuell-queere-offene Beziehungs-Mischung (und über Emmas und Alex Modell will ich nicht einfach so schreiben, das können sie selbst definieren). Zumindest auf sexueller Ebene mischen wir vier Eltern uns nicht, auch wenn wir in meinen Augen ansonsten eine intensive Eltern-Beziehung haben. Gleichzeitig sind Heiko und ich auch noch Kikos biologische Eltern, und ich glaube schon, dass das einen Einfluss auf Kikos bisherige Bindungsentwicklung hatte, zumindest so, wie wir uns dabei organisiert haben (mit stillen meinerseits, dadurch einer starken Bindung, und dann einer gewissen Übertragung durch Kiko von meiner Zuneigung zu Heiko). Je älter Kiko wird, und je mehr auch die Bindung und das Vertrauen unter uns Eltern wächst, desto mehr gehen die von Kikos zwischen uns gemachten Unterschiede langsam verloren. Die Kinder in der oben genannten Fünfer-Familie sind noch sehr klein, alle drei Eltern sind Teil einer Liebesbeziehung, und Dani und Melinda praktizieren bei den Kindern cross-stillen (also, äh, jede stillt jedes der Kinder). Bis jetzt habe ich noch nix zum Thema Bindung und so auf ihrer website gefunden, habe aber auch noch nicht so in der Tiefe gesucht, und ich bin richtig gespannt, wie es bei den Fünfen weitergeht.

bor, krass, ist sie schon groß…

Gestern war ein spannender Tag: Kikos erster Tag im Waldkindergarten. Den hat sie zwar im Laufe des Jahres schon manchmal mit eine*r von uns Eltern besucht, aber seit gestern ist sie ganz offiziell in der Eingewöhnungsphase, und jetzt wird der Kindergarten ein wichtiger Teil unseres Alltags werden. Die Eingewöhnung in dieser Woche macht weitgehend Heiko. Emma und Alex genießen gerade nochmal zwei Wochen Urlaub zu zweit, bevor es ja dann demnächst wieder turbulenter hier werden wird. Die Schwangerschaft mit den Zwillingen ist schon jetzt ganz schön anstrengend und beschwerlich, und deshalb bin ich ganz froh darüber, dass ich nicht mit Kiko den ganzen Vormittag durch den Wald latschen muss.

Gestern Morgen war ich ziemlich emotional, als Heiko und Kiko hier losgezogen sind, wehmütig und superstolz und auch aufgeregt irgendwie. Kiko ganz stolz mit dem gepackten Rucksack auf dem Rücken und mit ihrem Laufrad. Ich hab ein paar wackelige Bilder mit meinem Telefon gemacht, nochmal kurz gewunken, und dann waren sie schon weg. Ich weiß, das ist der Klassiker schlechthin, das zu sagen, aber: Bor, echt krass, wie groß sie schon ist, und wie schnell das ging! Beim Frühstück hatte Kiko noch zu Heiko gesagt, dass er dann ja auch mal gehen könne zwischendurch, wenn sie mal allein sein wolle. Das war dann aber doch noch nicht angesagt gestern. Mal sehen, wie es heute wird!

Für Kiko gehört zum Kindergarten-Kind-Sein anscheinend dazu, auch Laufrad fahren zu können, weil sie jeden Morgen das Kind von gegenüber, das nur ein paar Monate älter ist als sie, mit dem Laufrad losfahren sieht. Deshalb hat sie in den letzten Tagen beschlossen, das jetzt auch endlich zu lernen. Bis jetzt war es ihr zu mühsam, weil es halt nicht so schnell wie selber rennen geht am Anfang. Emma und Alex verpassen gerade also nicht nur Kikos erste Kindergarten-Tage, sondern auch, dass sie mit dem Laufrad loszuflitzen beginnt jetzt. Ich schätze, das macht ihnen nix aus, weil wir alle ja von Anfang an Kiko nicht in jeder Minute mitkriegen. Nur ICH vermisse die beiden, weil ich all die großen Gefühle, die seit gestern in mir rumbrodeln, all das „Ich bin so stolz, ich bin so dankbar für unsere Familie, ich liebe euch alle so, ich freue mich so sehr darauf, wenn die beiden Kleinen uns noch bereichern, ich bin so verblüfft und auch irgendwie melancholisch darüber, wie schnell Kiko selbstständig wird…“ nicht sofort mit ihnen teilen kann.

4:1 vs 2:2

Emma, Kiko und Yuriko waren zusammen im Nachbarstädtchen im Café und haben dort Fiona getroffen. Die ist 8 Jahre alt und hat draußen vor dem Café bei den Spielgeräten mit Kiko Kontakt aufgenommen, und dann sind irgendwann alle ins Gespräch gekommen.
Nach einer Weile hat Fiona Emma gefragt, ob sie Kikos Oma ist. Emma hat gelacht und gesagt, dass sie Kikos Mutter ist. Da hat Fiona überlegt und dann Yuriko gefragt, wer sie denn dann sei. Yuriko hat geantwortet, dass sie auch Kikos Mutter ist, dass Kiko zwei Mütter hat. Da hat Fiona erst ein bisschen verwirrt geguckt, und dann hat sie gefragt, ob wir das schon immer so gewollt hatten. Und Yuriko hat gesagt, naja, das haben wir geplant, als Kiko in meinem Bauch war.

Dann haben Fiona und Kiko ein bisschen weiter gespielt.

Und dann hat Fiona erzählt, dass sie und ihre Freundin und noch ein Freund, wenn sie zusammen Familie spielen, immer alle zusammen ein Kind kriegen. Und die Mädchen halten dann immer ihre Bäuche aneinander und machen so, dass das Baby in beiden Bäuchen drin ist. Ob wir das vielleicht auch so gemacht haben? Da haben Kiko und Emma Fiona erzählt, dass das mit echten Babys leider nicht so funktioniert, und dass Kiko deshalb nur in Yurikos Bauch drin war, aber dass Emma währenddessen schon viel mit Kiko im Bauch geredet hat.

Dann hat Fiona nochmal kurz überlegt und gefragt, wie Kiko denn dann in Yurikos Bauch reingekommen ist, wo wir doch zwei Frauen sind. Da haben Emma und Yuriko dann erzählt, dass Kiko auch noch zwei Väter hat, und dass alle fünf zusammen in einem Haus wohnen. Das mit dem einen Haus fand Fiona dann ziemlich erstaunlich – sie selbst nämlich hat eine Mutter und einen Vater, aber dafür zwei Zuhause, in denen sie abwechselnd wohnt.

Alle waren sich einig, dass es ganz schön unterschiedlich sein kann, wie Kinder und ihre Familien leben.
Dann kam Fionas Vater und die beiden sind zu sich nach Hause gegangen.

Sehnsucht und Grenzabenteuer

Kiko ist jetzt seit 9 Tagen mit Emma und Alex auf Reisen. Es gab immer wieder kleine Updates per Email, die ich neugierig verschlungen habe. Sorgen habe ich mir keine Sekunde lang gemacht, aber vermisst habe ich alle drei schon. Jeden Tag ein bisschen mehr. Natürlich war es auch mal schön, mir meinen Tagesrhythmus ganz frei einteilen zu können, und Heiko und ich haben unendlich viele Folgen Battlestar Galactica geguckt. Aber so seit vorgestern ungefähr hab ich jetzt das Gefühl, dass es wirklich lang genug war, und jetzt vermisse ich vor allem Kiko wirklich sehr.

Der geht es auf der Reise sehr gut, den Berichten nach. Sie fragt zwar so etwa einmal am Tag nach Heiko und mir, aber ist dann auch mit der Erklärung, das wir beide zuhause sind und dort auf sie warten sofort wieder zurfrieden. Gerade habe ich mit Alex und Emma telefoniert, und Kiko hat im Hintergrund rumgequatscht. Irgendwann hat sie mitgekriegt, dass Emma mich an der Strippe hat, und hat gefragt: Kommt Yuriko gleich? Da habe ich schon ein bisschen Sehnsucht in der Stimme gehört, und mein Herz hat doll geschlagen. Aber als Emma sie dann gefragt hat, ob sie mit mir telefonieren will, ist sie lieber wieder in ihr „Haus“ unter einem Café-Klappschild gekrochen, um weiter zu spielen.

Ein kleines Abenteuer gab es anscheinend bei einer Grenzkontrolle. Alex und Emma sind ja als Kikos Eltern nirgendwo offiziell eingetragen. Sie hatten Kikos Pass dabei und von Heiko und mir jeweils eine englische Vollmacht, sowie Kopien unserer Personalausweise. An einer Grenze gab es dann wohl sehr kritische Nachfragen und Nervenkitzel bei Emma und Alex, aber das weiß ich auch nur von einer Nachricht auf dem AB – vielleicht werden die beiden ja was davon erzählen, wenn sie morgen Abend zurück kommen.
Morgen Abend! Nur noch einmal schlafen! Juchhu!

Mami!

Yupp, jetzt hat dieses Wort doch Einzug gehalten bei uns, und zwar in seiner in meinen Ohren zweitfiesesten Variante: Mami! (Schlimmstfies: Mutti, Drittfies: Mama). Kiko hat einfach ganz von allein damit angefangen. Und ich versuche mich jetzt erstmal damit zu entspannen und zu beobachten, wann sie eigentlich wen damit bezeichnet, und was dieses Wort für sie eigentlich bedeutet. Und das ist schon ganz interessant: Sie nennt uns nämlich alle Mami, auch Heiko und Alex. Und zwar immer dann, wenn sie Unterstützung für irgendwas haben will. Oder wenn sie so ein bisschen müde ist und Aufmerksamkeit möchte. Und manchmal hört es sich vom Tonfall her genau wie „Manno!“ an, wenn sie sich über irgendwas ärgert. Bisher reagieren wir einfach alle darauf, und außer mir fühlen sich die anderen auch nicht so unbehaglich damit, glaube ich. Bin mal gespannt, wann der erste neunmalkluge Mensch Kiko drauf hinweist, dass dieses Wort nicht für Heiko und Alex benutzt werden darf, weil die ja ihre Papis sein müssen. Dass sie sich Mama vielleicht irgendwann angewöhnen würde, war zu erwarten, weil fast alle Kinder um uns herum ihre Mutter (und oft Hauptbezugsperson) so betiteln, woher sie jetzt aber das Mami hat…Könnte sein, dass es von Heiko und Emma kommt, die ihre Mütter nämlich so ansprechen. Es ist auch definitiv erst regelmäßig aufgetreten, seit Kiko mit Emma und Alex bei Emmas Eltern war.

Sie scheint mit dem Wort „Mami“ tatsächlich die Eigenschaften einer sich kümmernden Person ansprechen zu wollen, und das finde ich ganz schön bemerkenswert, dass sie diese Rolle und ihre Bedeutungen so zielsicher aus der Sprache um sie herum aufgeschnappt hat.Genderunterschiede, gemischt mit Rollen, scheint sie übrigens auch schon zu machen, so nennt sie nämlich Emma und mich öfter mal „Emmayuriko“ oder „Yurikoemma“, auch wenn sie nur eine von uns gerade meint. Mit Heiko oder Alex bin ich noch nie vermischt worden. Allerdings albert sie auch manchmal herum und bezeichnet alle als eine_n andere_n von uns und schmeißt sich dabei weg vor Lachen. Gerade weil sie eigentlich sehr klar hat, wer von uns wie heißt, finde ich ihre speziellen Misch- oder Rollenbetitelungen ja so interessant.

Sie benutzt Mami manchmal auch als Kosewort, wenn sie sich einkuschelt, und dann höre ich eigentlich gar nicht auf das Wort, sondern nur auf die Zärtlichkeit, die dann mitschwingt, und in dem Moment ist es mir auch sowas von egal, wie sie mich nennt.

Interessant ist auch, wie unterschiedlich Emma und ich auf das Mami reagieren. Während sich mir meistens die Fußnägel hochrollen, wenn ich so genannt werde, meinte Emma zu mir, dass es sie berührt und freut, wenn Kiko sie so anspricht und es für sie ein weiteres Puzzleteil in ihrer Co-Mutter-Identität ist. Darin liegen die kleinen, feinen Unterschiede, zumindest in unserer Co-Mütter-Konstellation und -Beziehung: Bei mir gibt es ein „ich bin Mutter“-Gefühl, ohne dass ich so genannt werde, und das hat sich sicher nicht nur durch Schwangerschaft, Geburt und Stillen eingestellt, sondern das wird mir auch von unserer Umgebung ganz selbstverständlich überall gespiegelt, dass ich Mutter bin. Subtil oder weniger subtil machen viele in unserem Umfeld manchmal schon noch graduelle Unterschiede zwischen Emma und mir. Und irgendwie ist es für Menschen, die uns neu kennenlernen, meistens auch sehr wichtig zu fragen, wer von uns die leibliche Mutter ist.

aufeinander aufpassen

[Soundtrack: Früchte des Zorns – Passt aufeinander auf]

Jetzt sind Zeiten für mich angebrochen, in denen ich mehr denn je froh darüber bin, dass es die anderen Eltern gibt. Ich selbst habe anscheinend in den letzten Monaten nicht gut genug auf mich aufgepasst: Neuer Job, vielleicht zu viele Projekte, ein paar traurige Sachen, die um mich herum passiert sind. Die haben Teile meiner eigenen Geschichte berührt, aber ich wollte sie nicht an mich heranlassen, nicht wahrhaben, dass sowas mich immer noch umwirft und traurig macht. Es hätte Momente zum Durchatmen und Hinspüren gebraucht, die ich mir aber nicht zugestanden habe. Unter anderem, weil ja jetzt Kiko da ist, und weil ich für sie stark sein will.

Aber ich bin nicht stark gerade. Ich habe eine Geschichte mit sexualisierter Gewalt, und obwohl ich davon schon viel integriert habe, holen Teile davon mich wieder ein. Bilder und Körperempfindungen überrollen mich, manchmal so heftig, dass ich kaum noch realisiere, dass ich jetzt erwachsen und sicher bin, und es fällt mir oft schwer gerade, richtig anwesend zu sein. Mit Kiko zu sein holt mich oft ins Hier und Jetzt, aber es kostet mich auch sehr viel Energie, für sie da zu sein, wenn am Rande meines Bewusstseins gleichzeitig ein schwarzes Loch zieht und lähmt.

Es tut gut zu wissen, dass da ein Backup ist, dass ich Bescheid sagen kann, wenn ich nicht mehr kann. Es ist so unglaublich erleichternd zu sehen, wie glücklich Kiko mit den anderen ist, wie viel Liebe noch da ist, wenn ich gerade wenig zu geben habe. Es gibt mir den Raum, mich um mich zu kümmern und endlich das zu tun, was dran ist: Durchatmen, Hinspüren, Akzeptieren, Trauern.

Und die anderen Eltern passen nicht nur auf Kiko gut auf, sondern ein bisschen auch auf mich gerade. Sind Ohren zum Zuhören und Schultern um Anlehnen. Mit Emma, Kiko und einer weiteren Mitbewohnerin abends noch am Tisch Monster aus Papier zu falten und zu bemalen und damit herumzualbern, das war mein Tageslichtblick heute.
In solchen Momenten wird es spürbar für mich: Das ist meine Familie. Und das ist so groß, darüber könnte ich jetzt grad auch schon wieder heulen.

Yeah! WLMW is back!

yuriko als eine der mitorganisator_innen proudly presents:

Wer lebt mit wem? Warum? Und wie? -das selbstorganisierte Sommercamp für Kinder, Jugendliche, deren Hauptbezugspersonen, Eltern, Co-Eltern, (Wahl-)Verwandte, Mitbewohner_innen, Freund_innen, Menschen mit und ohne Verantwortung für Kinder und für alle anderen Interessierten!

Vom 15.-20. August 2014 möchten wir in den Gastwerken in Escherode (bei Kassel) mit euch gemeinsam das gute Leben ausprobieren und einen Ort für Austausch, Veränderung und gegenseitige Unterstützung aus einer queer_feministischen, rassismuskritischen und Anti-Diskriminierungsperspektive schaffen.

Für jeden Tag gibt es ein bestimmtes Oberthema, zu dem es je ein oder zwei vorbereitete Workshops geben wird und viel Platz für die Themen, die wir alle dazu mitbringen. Selbstverständlich können auch an jedem Tag Workshops, Austauschrunden oder ähnliches zu ganz anderen Themen eingebracht werden.

15.8., Ankommenstag: Thema Selbstorganisation – ganz praktisch erfahrbar in der Mitgestaltung der Camp-Strukturen

16.8., 1.Tag: Adultismus – Machtverhältnisse zwischen Erwachsenen und Kindern – Gleichwertig, gleichwürdig, gleichberechtigt?

17.8., 2. Tag: We are family – Familienformen und Familiennormen (Gender und Klasse, Heteronormativität, Erfahrungsaustausch zu Alternativen…)

18.8., 3. Tag: Rassismus (Reflexion über meine eigene Position innerhalb der gesellschaftlichen rassistischen Strukturen, wie rede ich mit Kindern drüber…)

19.8., 4.Tag: Ideas for Change – Vernetzung und Projekte schmieden

20.8., Abreisetag: Empowerment – Uns gegenseitig unterstützen und mit Elan weitermachen – wie kann ich Kraft und Mut für Veränderungen mit nach Hause nehmen?

Einige von uns, die das hier lesen, leben seit Jahren Antworten auf manche dieser Fragen, für andere von uns ist einiges hier vielleicht ziemlich neu. Wir wollen es hinkriegen, dass sowohl vertiefte voraussetzungsvolle Diskussionen geführt werden können, als auch genug Raum für viele, viele Fragen ist.

Alles für alle! Das Camp versucht ein Ort für alle Menschen zu sein: Mit Workshops und Partizipationsangeboten für verschiedene Altersgruppen, günstigem Essen für alle, 24h nutzbarer Küche für besondere Bedürfnisse, einer klaren Tagesstruktur, solidarischen Modellen für Campbeitrag und Reisekosten, Awareness-Gruppe und FLTI*-Zeltbereich. Wir arbeiten an Lösungen für Rollifahrer_innen, für Übersetzungen und für weitere Bedürfnisse. Kontaktiert uns gern, dann können wir gemeinsam überlegen, was es braucht und was wir möglich machen können.

Weitere Infos und Updates findet ihr hier: www.wer-lebt-mit-wem.de

Das Camp lebt von Themen, Ideen, Workshopangeboten, Diskussionsbeiträgen, Fragen usw. Wir freuen uns schon auf das alles – und auf euch!

Bis bald, die Orga-Crew.

identität

vor nun bereits wieder vier wochen hatten wir mit der gruppe, deren teil wir sind, einen intensivtag. das heißt, wir haben uns den ganzen tag miteinander getroffen und alle möglichen anliegenden themen besprochen. ich nenne diese gruppe jetzt einfach mal die „gang“, weil sonst gleich alles durcheinander gehen wird. also: es gibt die „gang“, eine gruppe von freund_innen, die sich gemeinsam ein haus teilt, und innerhalb dieser gang gibt es dann noch die „gemely“, die gemeinsam kiko beeltert.

ein großes thema war an diesem wochenende die abgrenzung zwischen diesen beiden gruppen. wir haben unter anderem ein „spiel“ gemacht, bei dem die gang im kreis stand und immer eine person in die mitte gegangen ist und ein statement in den raum gesetzt hat. unter anderem sowas wie: „ich finde, dass die gemely dazu beigetragen hat, dass unser haus jetzt immer warm und wohnlich ist“. (genauer wortlaut war etwas anders, glaube ich). alle anderen, die sich dem statement anschließen konnten/wollten, sind dann auch in die mitte gegangen. was dann interessanterweise passierte war, dass bei dem gerade genannten nur ich, heiko, emma und a-lex in die mitte gegangen sind und die anderen nicht.

im anschluss daran haben wir in der runde zusammen gesessen und über die statements gesprochen und wie es uns gerade so geht mit diesen beiden gruppen. eine mitbewohnerin von uns hat dann gesagt, dass sie nicht in die mitte gegangen sei, weil sie nicht findet, dass das ein verdienst der gemely sei, sondern dass das immer mit einem kind einhergehe.
dann wurde uns noch gespiegelt, dass sich diese unsere haltung arrogant anfühlen würde, und dass die selbstbezeichnung als gemely etwas abgrenzendes und trennendes habe.

für mich war das sehr erhellend. und obwohl ich das natürlich nicht so leicht schlucken konnte, kann ich das auch nachvollziehen. wir kamen dann als gruppe zu der frage, warum eigentlich diese klare fixierung, wer zur gemely gehört und wer nicht, und das ganze überhaupt so zu nennen, so wichtig ist.

meine antwort darauf ist zur zeit, dass ich das konstrukt gemely als vertrauensrahmen brauche. gemely, das sind für mich die leute, die sich, wenn sie denn alle dürften, als sorgeberechtigte eintragen lassen würden, mit allen jahrelangen konsequenzen und der willenserklärung, für kiko da zu sein, bis sie erwachsen ist. ihr leben so umzubauen, dass die verantwortung für kiko darin platz hat.
ich brauche diesen identifikationsraum „gemely“, um einen rahmen zu haben, an dem ich mich festhalten kann. damit ich mir nicht mehr so viele gedanken machen muss, ob wir kiko mit diesen vielen eltern nicht vor allem das risiko von vielen beziehungsabbrüchen mitgeben.

was mit dieser definierung aber leider auch leichter passiert ist eine grenzziehung, die vielleicht so gar nicht nötig ist. ich zumindest freue mich total darüber, wenn auch andere aus der gang lust haben, für kiko da zu sein. und das findet in der praxis auch immer wieder statt. und kiko liebt alle aus der gang. zumindest freut sie sich immer sehr über alle. und ich glaube, dass die gang für kiko sowieso zu ihrem zuhause dazu gehört. und ich diskutiere so fragen, ob wir kiko impfen lassen, auch gern mit allen. und es gibt ja super viele themen – zum beispiel, wie lange wir das gemeinsame wohnzimmer noch als kiko-schlafraum squatten – die ganz klar alle betreffen. und dann gibt’s aber auch themen, wie zum beispiel, für wen wir bei der kinderärztin eine vollmacht hinterlegen, dass er/sie allein mit kiko hingehen und alles entscheiden darf, die für mich irgendwie verknüpft sind mit dem grad der verbindlichkeit.

naja – und dass dieser grad der verbindlichkeit aber auch wieder viel mit der freiheit und den möglichkeiten der einzelnen zu tun hat, in ihrem leben derzeit so viel platz für ein kind einzuräumen, ist mir auch klar.

ich hoffe, dass diese gemely-identitätsgrenze sich langsam immer mehr entspannt und wir rollen und bezeichnungen finden, die sich für alle gut anfühlen. die der situation gerecht werden, aber sich nicht ausschließend anfühlen. und wahrscheinlich ist es auch ganz gut, wenn „wir“ gemelies mal ein bisschen runterkommen von unserem „wir sind ja so cool, weil wir ein alternatives beelterungsmodell leben“-trip. es geht ja nicht um hippness, sondern darum, ein modell zu erfinden, dass ganz genau UNSEREN (und mit unser meine ich jetzt auch die gang) bedürfnissen entspricht, mit einem kind zusammen zu leben. und hoffentlich auch den bedürfnissen des kindes. und es geht nicht darum, wieder neue normen zu setzen – „SO sollten alle mit kindern leben und nicht in einer pfui bah kleinfamilie“!. aber irgendeinen rahmen zum festhalten brauche ich anscheinend schon.

(fast) 24 stunden alleinerziehend

sooooo, jetzt bin ich mal wieder ganz allein mit kiko. im januar sind wir zwei schon einmal gemeinsam verreist für fünf tage, aber seitdem hatten wir das noch nicht wieder. alex und emma sind bei einem seminar, heiko hat seinen zweiten truppmanns-lehrgang für die freiwillige feuerwehr, (und da sind sogar 1/3 frauen* dabei!), joel gibt ein seminar und unsere weitere mitbewohnerin besucht freund_innen.
und wisst ihr was? ich finde es ein bisschen aufregend. schön aufregend, aber trotzdem ein bisschen aufregend. dabei mache ich mir gar keine sorgen, dass irgendwas blöd laufen könnte. ich merke einfach, dass es eine andere art von daueraufmerksamkeit erfordert, kikos bedürfnisse ganz allein im blick zu haben. ich meine, das ist sowieso ein bisschen immer so bei mir, seit sie auf der welt ist. aber wenn ich sie bei den anderen gut aufgehoben weiß, dann kann ich auch schon mal ganz gut in meiner diplomarbeit abtauchen, oder im netz oder sonst wo.

während ich das jetzt schreibe, geht mir die frage durch den kopf, ob viele von euch, die das lesen, sich jetzt denken, dass das luxusprobleme sind, und dass ich ja keine „richtige“ mutter bin, wenn ich es nach fünfeinhalb monaten noch aufregend finde, länger allein für sie verantwortlich zu sein. weil zu elternschaft leiden und aufopferungsbereitschaft dazu gehört, und wer nicht mindestens im ersten jahr die ganze zeit mit kinntiefen augenringen herumläuft, gar nicht erst mitzureden braucht. ha, mal wieder ein inneres elternbild entlarvt!

aber jetzt mal ernsthaft: hat eine_r von euch lesenden da draußen sowas gedacht? und traut sich, mir das als kommentar zu schreiben?

das ist überhaupt ein ganz schön interessantes thema, diese vielen kleinen, sich immer wieder heimlich anschleichenden, gut verinnerlichten gesellschaftlichen elternrollenbilder. ich finde es ganz schön anstrengend, wie die immer wieder versuchen, mir unsere wohl überlegte und selbst gewählte, mich eigentlich sehr beglückende gemely madig zu machen in meinem kopf.