ungeahnte Intensität

Nun waren wir wieder mal als Co-Eltern zu zweit mit Kiko unterwegs, genauer gesagt 7 Tage, und zwar nach Ungarn.
Für mich war es diesmal eine völlig neue Erfahrung, da Kiko unerwarteterweise mich als Hauptperson auserkoren hatte für den kompletten Zeitraum. Mir ist nicht ersichtlich, wie Kiko entscheidet, wessen Anwesenheit gerade mehr nötig zu sein scheint, als die der anderen. In Irland hatte Kiko noch Emma und mich gleichwertig in Anspruch genommen. Ihr könnt euch denken, dass ich diese Aufmerksamkeit und Anhänglichkeit natürlich sehr genossen habe. Das kannte ich so geballt bisher noch nicht. Das ist ja sonst eher Yurikos „Rolle“. Ich befürchte aber auch, dass mich das im Alltag eher stressen würde. Unser Modell beruht ja darauf, dass wir uns die Zeit gleichmässig teilen und wir fahren alle sehr gut mit diesem Arrangement. Das es mich eher stressen würde habe ich vor Ort gemerkt. Ich war eigentlich zum Arbeiten dort und Emma und 1 zusätzliche Kinderbetreuung sollten mir weitgehend das Arbeiten ermöglichen (Abschlusstreffen einer zweijährigen Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen aus insgesamt 5 europäischen Ländern). Ich habe mich so richtig ineffektiv gefühlt 😮 .
Die 14-stündige Rückreise war dann nochmal intensiver für mich, da Emma bereits früher nach Hause fahren musste. Kiko wich nicht von meiner Seite und liess sich nur kurz von unserer
Kinderbetreuungsreisebegleitung in deren Bann ziehen. Mal von der Müdigkeit abgesehen, die ich davon mit nach Hause gebracht habe, war diese Reiseerfahrung aber ein weiterer wichtiger Meilenstein in unserer beider Beziehung. Ich habe jetzt auf jeden Fall keinen Zweifel mehr daran, dass ich auch sehr gut alleine für Kiko da sein kann. Und dass Kiko mich selbstverständlich als Bezugsperson unter „Extrembedingungen“ akzeptiert. Dadurch, dass ich so eine intensive Nähe mit Kiko über einen längeren Zeitraum bisher noch nicht erlebt habe, war ich mir da bis heute einfach unsicher. Für mein elterliches Selbstwertgefühl war das sehr wichtig und ich bin unendlich dankbar für jeden Augenblick mit meiner Gemely (das ist unsere offizielle Abkürzung für unsere Familie, da Gemeinsame Elternschaft doch ein wenig lang ist – und in Anlehnung an einen bekannten Popsong: „We are Gemely… I’ve got all my parents with me…)

mit Kiko auf Reisen

Kiko ist ein sehr reisefreudiges Kind. Es war trotzdem aufregend, Kiko auf eine lange Überlandreise nach Irland mitzunehmen. Hinzu kam noch, dass Emma und ich zum ersten Mal alleine für 11 Tage mit Kiko unterwegs waren, ohne die anderen beiden (Bio-)Eltern. Wir sind mit der Bahn durch den Tunnel nach London, Übernachtung im Hotel, weiter mit Zug und Fähre nach Dublin, wieder Übernachtung im Hotel und am nächsten Morgen mit Mietwagen nach East Clare, ans andere Ende der Insel.
Interessant für mich war, dass Kiko die gesamte Reise über und auch während unseres Aufenthaltes in Irland zufrieden und sicher wirkte und kein Anzeichen von Heimweh oder Vermissen der anderen Eltern zeigte. Ab und an fragte Sie nach Yuriko und Heiko oder nannte uns beide sogar so, aber immer nur auf eine neugierige, da-war-doch-noch-wer Art und Weise. Aber Kiko nannte sogar mich auch ein paar mal Emma oder Mammi. Diese Begriffe scheinen austauschbar und bezeichnen anscheinend einfach nur eine wichtige Bezugsperson. Während des Reisens freute Kiko sich außerdem jedes Mal aufs Hotel und tobte immer erst einmal ein wenig im neuen Domizil herum.
Was auch noch auffällig war, dass Kiko des öfteren in Irland dafür sorgte, dass immer beide Erwachsene mit ihr kamen – Kiko sozusagen die Herde zusammenhielt. Bereits nach 2 Tagen hatte Kiko sich jedoch so weit an die neue Umgebung und die Menschen darin gewöhnt, dass Kiko auch zu anderen Kontakt aufgenommen hat. Das war für mich auch ein Zeichen dafür, dass sich Kiko sicher und geborgen gefühlt hat. Für mich persönlich war diese Reise ein weiterer wichtiger Schritt, meine Beziehung zu Kiko zu vertiefen. Zum ersten Mal so gefühlt hatte ich, als wir beschlossen, die Nächte einzeln mit Kiko zu verbringen, ohne die Bio-Mutter noch dabei. Die Angst, dass ich nicht genüge, wenn ich alleine längere Zeit mit Kiko zusammen bin, ist nun so gut wie verschwunden. Diese Angst rührte sicher zum großen Teil daher, dass ich nicht der Bio-Vater bin und Kiko im Alltag des öfteren eine größere Affinität für Heiko zu haben scheint, als für mich. Normalerweise bin ich nur 2 Stunden pro Tag alleine mit Kiko zusammen und zusätzlich jede vierte Nacht, selten mal einen halben Tag am Stück. Der nächste Bonding-Schritt für mich wäre dann wahrscheinlich mal, allein mit Kiko für ein paar Tage zu verreisen. Bisher haben das nur Heiko und Yuriko gemacht.
Da das Treffen in Irland ein Arbeitstreffen war, bin ich entweder mit Kiko zusammen oder mit dem Projekt beschäfigt gewesen. In dieser Situation hatten Emma und ich gefühlt nur ein paar Minuten hier und da für uns zwei. Ich frage mich, ob das für Kleinfamilien mit nur 2 Eltern der Normalzustand ist? Sicher entwickelt mensch dann irgendwelche Strategien, für mehr Partnerzeit. Für mich sind das bisher Ausnahmezeiten, so dass ich selbst noch keine Strategien entwickelt habe, für diese Art von Alltag.

PS: Wir hatten Vollmachten von den Bio-Eltern dabei, für die Grenze oder ähnliche Situationen. Es kam jedoch nur einmal, in Brüssel, bevor wir in den Eurostar nach London eingecheckt haben dazu, dass uns der belgische Beamte in Uniform gefragt hat, ob das unser Kind sei. Und obwohl ich die Vollmacht noch nicht einmal erwähnt, geschweige denn gezückt hatte, hat er uns durchgelassen. Wir hatten schließlich Kikos Pass dabei, vielleicht war das für den Grenzbeamten ausschlaggebend.
Wer weiß.

PPS: Wieder zu Hause spielt Kiko jetzt des öfteren „Verreisen“. Anscheinend findet Kiko Tapetenwechsel selbst auch sehr interessant.

Wehmut

Neulich war ich mit Kiko und Yuriko 2 Tage unterwegs. Ich habe es sehr genossen, Kiko so lange am Stück zu erleben. Nach dem Ausflug kam so etwas wie Wehmut auf. Ich frage mich, ob ich da, im Gegensatz zu einer klassischen Familie mit nur 2 Eltern etwas verpasse? Durch die Vierteilung unserer Wochenzeit mit Kiko, bekomme ich in der Regel nur Ausschnitte aus ihrem Leben mit (in der Regel neben Mittag- und Abendessen circa 2,5h pro Tag plus alle 2-3 Nächte). Die Lücken werden durch Berichte der anderen gefüllt. Natürlich haben „normale“ Familien auch das Problem, dass sie nebenbei noch irgendwie Geld verdienen müssen und dadurch auch nicht permanent mit ihren Kindern zusammen sein können. Aber ich glaube, dass sie zumindest weniger große Lücken im Zusammensein mit Kind aufweisen, als ich. Zum Beispiel an den Wochenenden. So viel Vorteile unsere Gemely uns allen bietet, finde ich das doch einen Wermutstropfen. Ich bin einfach so fasziniert davon, Kiko beim Heranwachsen begleiten zu dürfen und ihr dabei zuzuschauen! Momentan ist sie mit Yuriko und Heiko 10 Tage unterwegs in Süddeutschland. Auf der einen Seite vermisse ich unser Gemelyzusammenleben mit Kiko, auf der anderen Seite habe ich seit langem mal wieder mehr Zeit für mich und Emma. Hin- und hergerissen.
A-lex

Ein stillender Vater

Emma und ich hatten nun bereits zum zweiten Mal eine Nacht mit Kiko, ganz ohne Yuriko. Natürlich ist das für Yuriko mit einigem Aufwand verbunden, da sie parallel zum Stillen etwas Milch für die Nacht abpumpen muss, zumindest für den ersten Teil der Nacht. Für die zweite Nachthälfte pumpt sie dann in der Nacht ab. Da sie dann auch nicht stillen muss, ist das kein Problem. Sie benutzt dazu eine einfache Handpumpe. Das ist entspannter, als die laute elektrische, die Heiko extra bei ebay ersteigert hatte. Auf diese Weise können Yuriko und Heiko auch mal wieder eine Nacht miteinander verbringen. Wir füttern Kiko dann mit der Flasche. Da gibt es extra so einen Aufsatz, wo Kiko richtig saugen muss, damit was rauskommt. Dadurch wird sie nicht von der Brust entwöhnt.

Interessanterweise können wir die eingefrorenen Muttermilchvorräte nicht verwenden, Kiko trinkt die aufgetaute Milch einfach nicht. Wenn wir sie damit versucht haben zu stillen, dann hält sie einfach still und schluckt nicht, obwohl sie Hunger hat. Die Milch läuft dann einfach aus ihrem Mund wieder raus. Sehr faszinierend, aber auch blöd, da wir so keine Notreserven haben. Ein echtes Gourmet-Kind :o).

Für Emma und mich ist es toll, dadurch mehr Zeit mit Kiko am Stück verbringen zu können, gemeinsam. Und jede_r von uns schläft zumindest eine halbe Nacht, da wir uns abwechseln mit dem Übers-Kind-wachen und Flasche geben. Es bringt mich Kiko auch noch mal ganz anders näher, wenn ich sie nicht einfach nur abgebe, wenn sie Hunger hat.

Ich finde uns alle ja so toll! :o)

hallöchen

ich habe mich bisher noch nicht hier zu wort gemeldet, ganz einfach, weil ich entweder arbeite oder meine zeit lieber mit kiko verbringe. (bisher wurde ich hier nur als emmas partner eingeführt, weil ich mir selbst bis jetzt noch keinen namen gegeben hatte). ich hätte nie gedacht, dass es mir so einfach fallen würde, in die verantwortung für ein kind zu gehen, das ich nicht selbst „gezeugt“ habe. mein leben ist ein anderes und auch nicht. es hat sich an meinem arbeitspensum nicht viel geändert, trotzdem bin ich, seit kiko auf der welt ist, viel entspannter. ich ertappe mich öfters dabei, wie ich an kiko denke und glücklich vor mich hin lächle. das trug mich die letzten wochen durch den alltag.

wow. ich bin unendlich dankbar, dass mir die gelegenheit gegeben wurde, zu erfahren, wie es ist, für ein kind elter zu sein und wie belohnend jede kleine regung von kiko ist. ich darf kiko lieben! einfach so! und die anderen 3 auch! und wenn joel will, er_sie_es auch noch! kann es etwas schöneres geben für ein kind, als in so einer umgebung, wie wir sie hier kreieren, aufzuwachsen? das kiko nicht „mein leibliches kind“ ist, spielt für mich bisher überhaupt keine rolle. am anfang war ich noch sehr unsicher – was darf ich, was nicht, was wird von mir erwartet, was will ich eigentlich… ich war derjenige von uns vieren, der am wenigsten konkret hatte, wie sehr ich mich einbringen wollen würde in die gemely (wie wir die gemeinsame elternschaft kurz nennen). interessant nach der geburt war, dass bei mir erst einmal die bilder von leiblichen eltern und nicht und was wer „darf“ im kopf kreiselten.

bei der geburt war ich gerade nicht zu hause und war auch nicht gut erreichbar, so dass ich nicht wusste, was zu hause vorging und wie die geburt verlief. hinzu kommt noch, das ich die erste woche nach der geburt erkältet war und mich daher nicht ins krankenhaus getraut habe, aus angst, kiko anzustecken. das war eigentlich die härteste woche für mich im zusammenleben mit kiko. als sie dann endlich zu hause war, brauchte ich ein paar tage, um meine unsicherheit und unbeholfenheit im umgang mit ihr und den „leiblichen“ eltern zu überwinden.

ich geniesse die gemeinsamen nächte mit yuriko und kiko. wir anderen nicht-säugenden wechseln uns ab, die nächte dafür zu sorgen, dass yuriko nur zum brust geben wach sein muss. windeln und auf kleinste geräusche wachen machen wir anderen derweil. ich finde, wir sind alle dadurch viel entspannter. ich habe noch meinen bruder im ohr, der sagte, dass er die ersten 2 jahre nach der geburt keine einzige nacht ausschlafen konnte und permanent in einem zustand der übermüdung durch den tag ging. ich kann allen eltern nur empfehlen, legt euch noch mehr mit-eltern zu! ihr habt mehr von eurer zeit und das kind empfängt noch mehr liebe – übrigens der wichtigste grund, weshalb es auf der welt ist.

ich weiss nicht, wie oft ich mich hier zu wort melden werde, mal sehen. es ist bisher alles einfach wunderbar und ich geniesse es aus vollem herzen.

ps: heut vor 23 jahren fiel die berliner mauer, ohne dieses ereignis wäre ich sehr wahrscheinlich nicht teil dieser familie geworden. dank an alle bürgerbewegten und anarchist_innen in der ddr, die das möglich gemacht haben. (es war ein kurzer, schöner traum…)