Kiko hat mich heute gefragt, was eine Pistole ist. Ich hab es ihr erklärt. „Wer macht eine Pistole“, wollte sie dann wissen. Die große Frage danach für mich: Warum ist es erlaubt, Dinge zu bauen, die Löcher in Menschen machen, die ihnen ganz doll weh tun oder dazu führen, dass sie tot umfallen?
Bei uns ist es noch nicht mal erlaubt, die Füße auf den Esstisch zu legen.
Jetzt sind die Zwillinge in eine näher gelegene Klinik gezogen, wir fahren nur noch eine halbe Stunde (wenn es nicht gerade spiegelglatt ist) mit dem Auto und 55 min mit Bus und Rad, und Yuriko hat dort auch ein Zimmer. Und: Ich bin heute Morgen aufgewacht und habe die Babys vermisst. Nicht so sehr, dass ich gleich hingefahren wäre (Rabenvater, s.u.), aber doch immerhin. Ich habe sie gestern (eigentlich „mein Zwillingstag“ mit Yuriko) nur kurz gesehen, weil ich Kiko dabei hatte und auch nur wenig Zeit. Ich musste nachmittags zu Hause Brennholz sägen, und Kiko findet ihre Brüder immer nur sehr kurz spannend und will dann spielen. Immerhin gibt es in der neuen Klinik eine ziemlich gut ausgestattete Spielecke mit Spielbaby und Spielkinderwagen, damit kann sie durch die Gegend sausen.
An „meinem“ vorletzten Zwillingstag war ich gar nicht bei ihnen, weil das der Tag ihres Umzugs in die neue Klinik war. Da hätte ich auch nur den Vormittag gehabt, wegen nachmittäglichen Terminen, und dann kamen sie so spät in der neuen Stadt an, dass sich das Hinfahren (eh wieder mit Kiko) nicht mehr gelohnt hätte.
Damit hatte ich jetzt eine Woche keinen echten Babykontakt mehr, kein Wunder, dass ich sie vermisse.
Es ist aber in den vergangenen zwei Wochen ohne Kindergarten auch mörderisch (verglichen mit vorher) gewesen: Zu dritt betreuten wir Kiko, aber alle drei Tage fuhr eine*r von uns dreien den ganzen Tag zu den Twins (Yuriko jeden Tag). Das heißt, ich hatte zwei halbe Tage, um irgendwas anderes zu machen, zum Beispiel arbeiten, und dann einen ganzen im Krankenhaus. Da ging ja fast gar nichts mehr. Dass ich da nicht jeden Zwillingstag komplett mitnehmen konnte, hat dazu geführt, dass Yuriko mich auch schon mal „Rabenvater“ genannt hat – zwar leise und ein bisschen ironisch und mit der Einschränkung, dass das nur für die Babys gelten würde und nicht für Kiko – trotzdem ist das gemein. Diese Brennholzaktion gestern, da habe ich auch das Holz nachgesägt, dass Yuriko in den letzten Wochen verbraucht hat. Wir haben ja eine gemeinsame Ökonomie, wir Eltern, und solange nicht eine*r tagelang DVDs schaut, können wir davon ausgehen, dass er oder sie was Sinnvolles für die ganze Gruppe tut.
Morgen fängt der Kindergarten nach den Weihnachtsferien wieder an, da bin ich aber froh, dann haben wir wieder mehr Luft. Und Dienstag („mein“ nächster Zwillingstag) will ich dann von früh bis spät bei den Babys und bei Yuriko sein.
In der Klinik, in der sie/wir jetzt sind, läuft übrigens alles anders als in der Station der größeren Stadt, in der wir vorher waren. Alles ist neu und geräumig, aber es scheint auch viel weniger los zu sein. Wir sind die einzigen Eltern von Frühgeborenen. Es gibt keine bequemen Stühle, in denen wir uns zum Känguruhen mit den Babys hinlegen könnten – nur normale Sitze, in denen wir die Kleinen im Arm halten. Die Schwesternschaft schaut nicht mehr aus wie der Backgroundchor aus einem Musikvideo (ja, ich hatte eine Lieblingsschwester… aber natürlich wusste die das nicht), und die Türen stehen nicht alle offen, sodass man mitbekommen würde, wer so alles da ist. Es war wirklich kuscheliger vorher (ich würde ja gern den Namen der Stadt nennen, aber wir wahren ja hier so was wie Anonymität…). Dafür können wir jetzt selbständiger sein. Das hat natürlich vor allem Yuriko gemerkt und sich umstellen müssen: Sie kann da anlegen, rausnehmen, wickeln, wann immer sie will. Und sobald die Kleinen keine Sauerstoffsättigungsabfälle mehr haben (immerhin: Nur noch ein Sensor; vorher wurden drei Werte gemessen!), ziehen sie mit Yuriko auf ein Zimmer. Ob dann von uns auch jemand dazuziehen darf, wissen wir noch nicht. Bei Kiko waren wir ja immer zu zweit in der Klinik, Tag und Nacht, da sollten wir das doch bei Zwillingen erst recht so machen, oder?
Übrigens wurde Kiko auf der Geburtsstation derselben Klinik geboren, in deren Kinderstation jetzt die Twins liegen. Und Kiko ist dort berühmt: Sie war ja auch zu früh, wurde aber ohne irgendwelche Magensonden oder Sensoren bei uns im Familienzimmer aufgepäppelt und dann mit unter 2 kg Gewicht entlassen. Diese Geschichte erzählt man sich scheinbar noch heute in diesem Krankenhaus, es hat scheinbar weder vorher noch nachher wieder so was gegeben. Jetzt flitzt Kiko mit einem Spielkinderwagen durch die Gänge und keiner dort weiß, dass es sich um dieses legendäre Baby handelt und dass sie so gut geraten ist…
Als Yuriko damals fix und fertig war und wir um jede Stunde Schlaf für sie dankbar waren, hab ich mal einen Zettel an die Tür unseres Zimmers gehängt. „Yuriko schläft, bitte nicht stören“. Und an diesen Zettel erinnern sich die Hebammen und Schwestern dort auch noch, sowas hat scheinbar auch noch nie jemand gemacht. Obwohl ich bis heute nicht weiß, was daran besonders sein soll. Wir haben das erfahren, als wir den ersten Ultraschall der Twins dort in der Klinik machen ließen. In so einer Klinik geht es halt schon recht konventionell zu.
Als ich gestern da war, lagen Noam und Ta („Noam“ finde ich schöner als Noa) immer noch zusammen im Bettchen, obwohl das schon ganz schön eng war. Wir finden es gut und die beiden scheinen auch zufrieden(er). Heute ist A-lex bei ihnen und Yuriko. Emma hat Kiko bis 16:30, dann bin ich dran. Ich habe einen Dreivierteltag zum Schreiben, Räumen und Denken. Was für ein Luxus!! Auch in der Sache aus dem letzten Beitrag „Erweiterung Gemely“ geht es weiter, da werde ich demnächst wieder berichten, es sollen nicht immer alle Gemely-Mitglieder meine Gedanken aus dem Internet erfahren.
Was ich auch gern mal veröffentlichen würde: Eine Liste unserer liebsten Kinderbücher. Denn Bücher spielen bei uns eine große Rolle. Wir Erwachsenen lieben Bücher (meine letzte Empfehlung: Alle Bücher von Joachim Meyerhoff, und davor: „Oryx und Crake“ von Margaret Atwood) und Kiko liebt sie auch. Zu Weihnachten gab es neue, von denen vor allem das Wimmelbilderbuch „Unser Zuhause“ ganz toll und empfehlenswert ist (http://www.spiegel.de/kultur/literatur/ostern-tipps-fuer-bilderbuecher-zum-verschenken-a-1025173.html, bitte im Buchladen deines Vertrauens kaufen!).
Hier ein erster Vorgeschmack:
„Rosa und die Zimtschnecken“
Die Wimmelbider von Ali Mitgutsch natürlich
„Luzie Libero und der süße Onkel“
„Die Torte ist weg“
„Ein neues Haus für Charlie“
Die Peterson & Findus Bücher sowie die von Mamma Muh und der Zauberin Zilly.
Es gibt ein paar uralte Bücher, die schön sind, zum Beispiel eine Geschichte über einen entlaufenden Hund, die mit echten Fotos erzählt ist.
Und die Conny-Geschichten mag Kiko gerne, obwohl uns die eigentlich zu, wie sagt man, „heteronormativ“, sind. Kann doch nicht so schwierig sein, diese Geschichten in ein bunteres Umfeld einzubetten, in dem Conni nicht jedesmal die Beste ist, oder???
Aber wie gesagt, das war nur ein Vorgeschmack. Ich hab jetzt so viel und zu so unterschiedlichen Dingen geschrieben, weil ich keine Ahnung habe, wann ich wieder zum Bloggen komme :-).
Vater genug
Noa und Ta sind jetzt ‚Päppelkinder’ (Krankenhausjargon): Liegen nur noch in der Klinik, um aufgepäppelt zu werden, haben also nicht mehr mit großen Problemen zu kämpfen. Sind knapp bzw. weit über 2 kg schwer und machen Trinkversuche mit Fläschchen und Brust. Yuriko schafft knapp, sie allein mit Muttermilchpumpen zu ernähren – ein heldenhafter Einsatz, Tag und Nacht, die Milchpumpe ständig einsatzbereit.
Noa und Ta liegen sogar zusammen in einem Bettchen, eine zuerst aus der Not geborene Lösung, weil es nicht genug Wärmebetten auf der Station gab und Ta nicht länger im Brutkasten bleiben sollte. Aber dann haben die Schwestern sie beieinander liegen lassen, ein schönes Gefühl für uns Eltern.
Ich bin heute schon wieder nicht mitgefahren, um meine alle-drei-Tage-Schicht anzutreten, obwohl es keine zwingenden Gründe dafür gab. Ich habe hier zwar wirklich viel zu tun und meine Arbeit dient auch ganz direkt der Gemely: Wir wollen in 2016 nämlich ein Haus bauen und ich muss den Kreditantrag für die Bank fertig machen und dafür auch die Buchführung unseres Vereins. Aber ich hätte das auch ignorieren und einfach ins Auto steigen können. Bleibt ja sowieso immer was liegen.
Aber ich habe auch das Gefühl, dass ich der Elternteil bin, der am wenigsten stark das Bedürfnis hat, zu den beiden zu fahren. Wenn es sonst keine*r tun würde: sofort! Aber ob jetzt Yuriko beide auf die Brust nimmt oder je sie und ich ein Baby – das wird Noa und Ta doch egal sein, oder? Ein bisschen ein schlechtes Gewissen habe ich. Yuriko hat auch ein bisschen spitz reagiert, als ich gesagt habe „Sag den Babys, dass ich vielleicht Sonntag (=übermorgen) komme“. Da hat sie nur gesagt: „Vielleicht“, und der Tonfall klang wie: „Soso.“ Dabei kam das „Vielleicht“ daher, dass A-lex dafür seine Klinikfahrt mit mir tauschen müsste; ich wäre ja eigentlich erst wieder Montag dran.
Ich kann mir auch wirklich noch nicht vorstellen, wie ich das mit der Liebe und Verbindung zu Kiko hinkriegen soll – das einfach aufteilen. Vielleicht bin ich der Elternteil, der am meisten Kiko verbunden bleiben wird? Wäre ja auch ok. Jedenfalls ist es toll, dass die Zwillinge wieder so ein völlig 100-%-iges Gemely-Projekt sind. Zwar habe ich die Bürokratie wieder alleine mit Yuriko machen müssen, gemeinsames Sorgerecht und Vaterschaftsanerkennung bei einer sehr netten Dame im Jugendamt, aber das war es dann auch schon wieder mit Biovaterprivileg. Übrigens habe ich gefragt: Wir hätten auch einen Zwilling von mir und den anderen von A-lex anerkennen lassen können. Die Vaterschaftsanerkennung hat gar nicht direkt mit der biologischen Vaterschaft zu tun, das hätte die Frau im Amt schon gemacht. Aber dann wäre ja Emma nicht dabei gewesen und außerdem fände ich komisch, die Kinder unterschiedliche Väter haben zu lassen. Vielleicht war das nicht 100 %-ig korrekt, aber Yuriko und ich haben den Termin beim Jugendamt nicht abgebrochen, um mit A-lex und Emma Rücksprache zu halten. Jetzt bin ich offiziell Vater von drei Kindern.
Da das dann auch reicht, habe ich schon einen Termin zur Sterilisation vereinbart, das ist in drei Wochen. Und passend dazu hat uns gestern eine sehr gute Freundin der Gemely, die vor Kikos Geburt auch schon mit uns zusammengewohnt hat, gefragt, ob wir ihr auch ein Kind zeugen würden.
Sie wünscht sich ein Kind, die biologische Uhr tickt, zu uns hat sie Vertrauen, Details weiß sie noch nicht und würde sie gern mit uns entwickeln. Ganz bewusst fragt sie die ganze Gemely, weil es ja für uns alle Folgen haben könnte. Sie hat mich gebeten, meinen Sterilisationstermin zu verschieben.
Meine erste Reaktion war Freude angesichts weiterer Vermehrung.
War das ein rein biologischer Reflex? Oder fühlte ich mich dadurch persönlich oder als Mann oder als DNS geschmeichelt?
Yuriko hatte eine differenziertere Reaktion: Wenn es um eine echte soziale Vaterschaft gehen würde: Könnten ich oder A-lex das leisten, angesichts der Zwillinge und Kiko? Zumal unsere Freundin zur Zeit ein paar Dörfer weiter wohnt.
Und als reine Samenspende: Wenn wir dem Kind sagen, wer ihr Papa ist, wird es sich nicht wundern, wenn ich oder A-lex für die Zwillinge und Kiko richtig präsent sind und für „das vierte Kind“ nicht?
Für mich denkbar wäre höchstens, dass unsere Freundin auch Teil der Gemely wird und zu uns zieht. Wiederum ein „aber“: Wird die Gemely nicht eh hart geprüft durch die Babys; sollten wir unser schönes Modell nicht ein bisschen schonen, ihm eine Chance zur Konsolidierung geben?
Ich hab es ja oben und schon oft zuvor geschrieben: Bei allem Glück, das mir Kiko und jetzt auch die Babys bescheren, bin ich doch um jede Stunde froh, die ich allein verbringen darf. In Zukunft morgens zwei dreijährige Kinder abends ins Bett bringen und morgens kindergartenfein machen – plus einer dann sechsjährigen Kiko, die auch nicht einfach nur mitlaufen soll: das ist schon jenseits meiner Vorstellungskraft. Wenn ich in diesem Szenarium „ja“ zu noch einem dann vielleicht zweijährigen Kind sagen würde, dann nur, weil ich mir diese Zukunft eh schon nicht vorstellen kann. Eine fundierte Entscheidung wäre das nicht.
Auf dem Weg zum Känguruhen
Die Babys sind da! Und wir unterwegs zu ihnen. Die ganze Gemely füllt jetzt schon eine Limousine, mit zwei weiteren Babyschalen müssen wir uns dann einen Siebensitzer aus dem Gemeinschaftscarpool leihen… Gut, dass wir so was haben.
Die Babys sind da und zwar erleben Sie heute ihren sechsten Lebenstag. Seit ihrem zweiten Tag dürfen sie „gekänguruht“ werden – da legt sich ein Elternteil oben ohne neben den Inkubator und dann wird das Baby auf die Brust gelegt. Beide Kinder genießen das Kuscheln, atmen alleine und halten ihr Gewicht. Da Yuriko schon ziemlich viel Milch abpumpt, können sie schon fast ausschließlich mit Muttermilch ernährt werden und nehmen hoffentlich bald zu. Bis jetzt wiegt Ta (Blog-Namensvorschlag von Kiko) 1050 g und Noa (Blog-Namensvorschlag von Kiko) 1400 g. Ich weiß das alles nur vom Hörensagen, weil ich vor vier Tagen zum letzten Mal da war. Ich bin mit der Geburt der Babys krank geworden (Husten, Schnupfen, dicker Kopf) und wollte die Kleinen natürlich nicht anstecken. Jetzt fühle ich mich fit genug und werde auch von den anderen ermutigt, heute einen der Zwerge auf die Brust zu nehmen. Angeblich sehen sie mir beide unglaublich ähnlich („sehen genau so aus wie du mit 80“). Ich freu mich schon. In den ersten Tagen hat mich die Situation ziemlich verwirrt. Ich krank, in der Klinik mühen sich zwei Minibabys mit Atmen ab, und in der Gemeinschaft will mir jede*r gratulieren oder mich in den Arm nehmen. Hat irgendwie gar nicht zusammengepasst.
Ich habe mich in den wacheren Momenten mit Arbeit und Kiko beschäftigt und die Zeit mit letzterer sehr intensiv erlebt. Sie hat die Babys nur mal durch eine Glasscheibe vom Balkon der Kinderklinik aus gesehen, zusammen mit mir. Sie war schon interessiert, wollte dann aber bald auf den Spieplatz. Was soll sie da auch auf dem Balkon? Leider darf sie in dieser Klinik nicht mit rein (andere Kliniken, die das erlauben würden, wären noch weiter weg gewesen – wir müssen jetzt auch schon 50 Minuten fahren). Kiko ist aber entspannt und zeigt keine Anzeichen von Eifersucht. Ich fühlte mich ihr zuletzt besonders nahe und spürte auch eine Wehmut darüber, dass die Einzelkindzeit jetzt zu Ende geht. In der wir vier Erwachsenen noch am Esstisch sitzen und schnacken, während Kiko in der Wohnküche hin und her rennt und spielt und überall Knoten knüpft, die sie uns dann zwischendurch präsentiert. In der ich abends eine warme Dinkelmilch zubereite und die rethorische Frage stelle: „Wer will ’ne Milch?“, worauf Kiko sich laut zu Wort meldet. In der eine müde Kiko den ganzen Nachmittag auf keinen Fall schlafen will und dann beim Abendessen wegschlummert…
(an dieser Stelle hört der Blogeintrag auf, weil das Auto die restliche Fahrt über über eine wüste Buckelpiste schaukelt. Es sei aber verraten. Känguruhen ist toll und die winzigen Kerlchen eine Wonne. Kiko war an jenem Tag dann auch interessierter und hat auch mehr gesehen. Es läuft gut. Zu viert auch sehr praktisch: jeden Tag fahren zwei in die Klinik und die anderen beiden sind zu Hause mit Kiko. Wenn sie dann auch noch Kindergarten hat, ist die Betreuung zeitlich gar kein Problem, obwohl die Zwillinge täglich bekuschelt werden…)
Die Zwillinge sind da!!!
Am 30.11. um 20.33 bzw. 20.34 kamen sie zur Welt, in der 31. Woche, 1050 bzw. 1400g leicht.
Allen geht es soweit gut. Yuriko wird sie heute zum ersten mal zu Gesicht bekommen. Heiko und ich waren gestern abend schon da und konnten sie kurz im Incubator bewundern. Heute sind wir dann alle als Familie dort. Kiko darf leider nur von außen durchs Fenster die Geschwisterchen sehen. Sobald alles stabil ist, können wir sie uns dann auch auf den Bauch legen.
Mehr in Kürze.
a-lex
Was ist das für ein Schmerz?
Mich hat es mal wieder erwischt. Diese seltsame Wehmut ist wieder da. Ich verbringe viel Zeit mit Kiko und bin so bewegt davon, wie sie in die Welt hineinwächst, dass ich nicht weiß, wohin mit dem Gefühl. Oder überhaupt: Was für ein Gefühl das ist.
Wie sie alles ernst nimmt und mit voller Aufmerksamkeit macht. Ganz im Moment. Gummibärchen essen, Grimassen schneiden, Cornflakes sortieren, Knoten machen. Während ich dabei bin, freue ich mich und schaue herum, ob ich einem der anderen Elternteile zugrinsen kann – und wenn ich dann wieder allein bin, ist da doch eher eine Traurigkeit, ein Kloß im Hals.
Gestern dachte ich, es läge vielleicht daran, weil Kiko so aufwachsen darf und es ihr scheinbar so gut geht und das gleichzeitig so gar nicht selbstverständlich ist in dieser Welt. Vielleicht würde jemand sie privilegiert nennen, mit ihren vier Eltern, genug zu essen und einem sicheren Wohnort. Und dieses „privilegiert“ wäre irgendwie so gemein, so abwertend – als hätte Kiko nicht verdient, dass es ihr gut geht und sie in ihrem Tempo lernen darf, wie die Welt so funktioniert.
Dann habe ich mit Yuriko geredet und sie kam mit dem Bild, dass einem manchmal das Herz so aufgehen möchte, wenn man Kiko so erlebt; dass das Herz aber schon viel zu verschlossen ist und gar nicht so weit aufgeht. Und dass das dann weh tut.
Ich weiß nicht, was das für ein Schmerz ist. Vielleicht ist es auch die Zeit. Dieselbe Zeit, die mich 43 Jahre alt gemacht hat, obwohl ich gefühlt gestern noch in unserem Vorgarten in Bayern gehockt bin und versucht habe, meinen Krempel per Flohmarktstand an die spärlich vorbeitröpfelnden Passanten zu verscherbeln. Diese Zeit hat Kiko jetzt schon 3 Jahre alt gemacht, sie spricht, spielt, tanzt und singt. Und weiß genau, was sie (nicht!) will.
Bei Nacht und Nebel in die Klinik
Yuriko ist im Krankenhaus. Die Babys sind noch im Bauch, aber vor fünf Tagen hatte sie Wehen im Abstand von 5 Minuten und da sind wir sofort losgedüst. Die nächste Klinik, die Früchchen in der 27. Woche aufpäppeln könnte, ist eine Autostunde weg; schon während der Fahrt hat sich Yurikos Bauch beruhigt, aber wir sind trotzdem weitergefahren und weil der Gebährmutterhals auf 2,3 mm verkürzt ist, sollte sie da bleiben.
Und da ist sie jetzt.
Irgendwie beruhigend, dass die Fahrt durch Nacht und dicken Nebel problemlos war und Yuriko mit den noch nicht ausgereiften Zwillingen „in Sicherheit“ – aber: Sie fehlt uns (jedenfalls mir! Und Kiko!) enorm. Und für sie ist es sehr unprickelnd, die Aussicht, jetzt womöglich wochenlang im Vierbettzimmer dieser Riesenklinik zu wohnen. Wir schaffen wohl nicht, sie öfters als alle zwei Tage zu besuchen. Für Kiko ist die Fahrt jedesmal lang und langweilig. Gestern und heute war ich mit A-lex und Kiko dort, wie haben im Hotel übernachtet und Yuriko gestern und heute besucht; gestern Abend war ich nochmal alleine bei ihr, während A-lex Kiko ins Bett gebracht hat. Das war gut.
Aber für Kiko ist es nicht so leicht, in Spiel- und Kuschelkontakt mit der Biomama zu kommen, wie zu Hause, wo jene ihr Lager im Wohnzimmer aufgeschlagen hatte und zum Kuscheln und Buch-Vorlesen jederzeit zur Verfügung stand. In den letzten Tagen hat kiko auch mal geweint, zweimal nachts und einmal abends; vielleicht hat sie da auch was zu verarbeiten, weil Yuriko plötzlich nicht mehr bei uns ist.
Es gibt aber auch noch genug Spaß und schöne Momente, wie gut, dass wir zu dritt und die Kleine jetzt ein Kindergartenkind ist. Da kriegen wir das schon hin. Spontaner Gedanke beim Abendessen: Noch ein paar Wochen ist sie Einzelkind, dann geht bei uns nochmal ne ganz neue Nummer los. Unvorstellbar…
Kiko kann jetzt alles selbst
Seit dem Kindergartenbeginn hat sich echt viel getan… In Yurikos Bauch gedeihen die zwei Kleinsten – dank Herumliegerei scheinen sie sich im Bauch auch noch für ne Weile eingerichtet zu haben – und die immer noch hustende Kiko kann (und will!) inzwischen alles selbst machen. Brot schmieren, Hustensaft eingießen, anziehen, ausziehen, Kartoffeln stampfen, Pilze schneiden, Zahnpasta rausdrücken… Das Meiste klappt auch schon sehr gut. Heute hat sie ein ihr unbekannte Funkgerät selbständig ein- und wieder ausgeschaltet. Woher weiß sie eigentlich, wie das geht??
Mit der Selbständigkeit kommt aber auch ein sehr starker Wille. Holla! Die meisten Sachen gehen nur auf eine ganz bestimmte Weise – sonst gar nicht. Die blauen Socken anziehen AUF KEINEN FALL – NEIN – NEIIIN – AAAHHHBUUUHÄÄÄ! Und dann zum Beispiel zu mir: „Du sollst dies machen… und jenes… und dieses… und jetzt aber doch nicht…“ Das Konzept vom freundlich fragen hat Kiko schon mal gehört, aber ich glaube, so richtig eingeleuchtet hat es ihr nicht. Besonders, wenn sie müde ist, wird’s richtig anstrengend. Und zuweilen komme ich mir dann auch schon ein bisschen alt vor, wenn Kiko in mein Ohr schreit oder hustet (Hand vor den Mund halten WILL ICH NICHT). Irgendwo habe ich mal gelesen, dass man eigentlich nur bis zum Alter von drei Jahren Gelegenheit hat, den Kindern beizubringen, dass es gewisse Grenzen gibt, dann aber nicht mehr. Na toll. Bis jetzt war Kiko super-kooperativ. Und jetzt ist das Zeitfenster zu und der Trotz geht los???
Kein Grund zur Panik, aber interessant. Ich bin sehr gespannt, wie Kiko auf ihre Geschwister reagiert und vor allem darauf, dass ihre ganzen Eltern mit anderen Kindern beschäftigt sein werden…
Und ich bin immer noch begeistert! Erst gestern, Kindertanzen. Um 15:00, wir kommen an, Kiko flitzt in den Tanzraum und braucht mich nicht mehr. Ich arbeite im Vorraum am Laptop und sehe sie nur kurz zwischendrin, weil sie Pipi muss. Dann wieder zurück zum Tanzen. Um 16:00 fertig, wir bummeln ein bisschen herum, bis um 16:30 A-lex übernimmt. Kiko hat das voll akzeptiert, die Übergabe läuft völlig reibungslos, ich laufe beglückt zum nächsten Termin und kann um Punkt 16:30 schon wieder unseren Lebensunterhalt verdienen. Co-Elternschaft und eine große Gemeinschaft mit guten Möglichkeiten zum Arbeiten ist halt auch perfekt.
Milchbildungskrise
schon 3 Wochen pumpen und so richtig tut sich nix. Mal hier ein Tropfen, mal da, mal keiner, dafür schmerzende Brüste. Mehr Displin, also öfter pumpen, oder länger? Unterwegs ist das umso schwieriger….auf dem Klo sitzen und pumpen ist ja nun wirklich keine Situation, wo Frau Oxytozin produziert. Frust ,da wo ich ganz entspannt bleiben soll, ja kein Druck….na toll!
Ein bisschen lesen, im Internet stöbern….
Es gibt also auch andere Wege der Milchbildungs-Stimulation, nämlich von Hand. Zumal die Pumpe der Brustwarze auch Schaden zufügen kann oder wenn es wie bei mir zunehmend schmerzt und damit die Motivation sinkt. Schwer rauszufinden, wie viel und wie lange (…mind. 3 mal tgl 20 Minuten)…..aber es eröffnet mir neue Wege und schließlich habe ich ja noch Zeit bis zur Ankunft der Babys. Anscheinend geht das auch ohne Vorarbeit innerhalb von 2-4- Wochen Milch zu produzieren. Wenn das Baby an die Brust gewöhnt werden soll, dann braucht es 10-12 mal Anlegen pro Tag. Das ist viel, aber anscheinend nötig um die Milchbildung in Gang zu bringen und bei neugeborenen eh ganz normal. Da kann ich jetzt mich etwas vorbereiten, aber wirklich intensivieren werde ich den Vorgang wohl erst, wenn die Geburt näher rückt.
So habe ich mir gestern einfach mal eine ganz liebevolle Massgae gegeben und mit meinen Brüsten erstmal wieder Frieden geschlossen. Bin voller Liebe eingeschlummert.
Danke an Marta Gouth-Gumberger und Elizabeth Hoffman (veröffentlicht von La leche liga) für die gute Literatur zum Adoptivstillen.
Freue mich über weitere tipps und Unterstützung.
Neue Erfahrung
dadurch, dass wir so viele sind, kommen so manche für andere selbsverständliche Erfahrungen erst mit Zeitverzögerung und dann auch nicht bei allen Eltern an. Z.B. alleine 6 Tage für ein krankes Kind zu sorgen. Just am Abreisetag nach Tübingen zu Tante , Onkel und Cousins und Cousin ging es los ….wir fahren trotzdem, die Reise ist auch super, Kiko hat zwar etwasTemperatur, aber Reisen ist immer schön und aufregend.
Eigentlich werden Kinder ja schnell wieder gesund, aber der Husten und Schnupfen haben sich hartnäckig gehalten. Nachts aufwachen Husten, Trinken, Einschlafen, Husten, Trinken, Einschlafen und so fort. Wenig Schlaf also für uns beide. Tagsüber gab es ein paar Momente von guter Laune, ansonsten meistens das Bedürfnis, auf meinem Arm oder Schoß zu verbringen. Ansonsten mehr als sonst irrationale Wünsche, die mit Schreien eingefordert werden, also sinnlose Streits und somit eine hohe Anforderung an meine Aufmerksamkeit, mein Improvisationsvermögen und meine Präsenz. Ganz normal, krank halt. Da sie bisher noch nie so lange krank war und wenn mal krank, dann von mehreren Bezugspersonen betreut, war das tatsächlich eine völlig neue Erfahrung für mich. Bin echt an meine Grenzen gekommen. Zum Glück „durfte“ ich nun 1,5 Tage krank sein, denn schon im Landanflug nach Zuhause gings bei mir dann los. So konnte ich mich nun dank der Übernahme durch andere Eltern ausführlich erholen und sie ist nun auch schon auf dem auf Besserungsweg.