Zwei Wochen nach dem letzten Eintrag ist das Ins-Bett-Bringen zumindest für mich kein Thema mehr. Ich finde es sogar schön. Ich hab noch mal eine ganz andere, größere (gefühlt!) Verantwortung für Kiko. Mal weint sie, ich glaube aber nicht, dass es ihr tatsächlich schlecht geht, mal brabbelt sie zufrieden vor sich hin oder sagt gar nichts und braucht nur eine Weile, um eine gute Schlafposition zu finden. Wenn ich nicht mit ihr einschlafe, gehe ich gern ins Nachbarzimmer und mache Dinge ganz allein, während Yuriko noch ihrer eigenen Abendgestaltung nachgeht. Dann schaue ich Mails durch oder lese. Und ich wäre bereit für den nächsten Schritt; ihr nämlich nachts eine Flasche zu geben und sie gar nicht mehr zu stillen. Darüber haben wir konkret noch nicht geredet (tun wir aber bestimmt nächste Woche), aber irgendwo genieße ich es, die volle Verantwortung zu haben und bin gespannt darauf. Wahrscheinlich würden wir einfach warme Dinkelmilch in die Flasche tun, das trinkt sie schon sehr gern, wenn sie aus ihrem Nachmittagsschlaf aufwacht.
Vielleicht bin ich ein kleines bisschen inspiriert von einem Buch, das ich gerade lese und das mir wirklich gut gefällt: „Fritzi und ich“ von Jochen König (Herder-Verlag). Da schildert ein junger Vater sehr flüssig geschrieben und ganz trocken davon, wie er seine Tochter als Haupterziehungsberechtigter aufzieht, während die Mutter des Kindes woanders wohnt und nur ab und zu mal das Kind nimmt. Der Vater macht also die meisten Nächte allein mit Fritzi und verbringt die Elternzeit auch mit vollem Einsatz für das Kind. Er schildert zum Beispiel, wie langweilig der Alltag mit Kind manchmal ist und wie er den Kontakt zu seinen Freunden zu verlieren fürchtet, erzählt aber auch, wie er ganz gut allein mit den Aufgaben des Elternseins zurechtkommt. In vielem finde ich mich total wieder, weil ich (außer Stillen) ja auch alles mache, was anfällt. Ich bin jedenfalls kein Vater, der sich vor der Babykacke ekelt oder so.
Andererseits haben wir es viel leichter; was der Autor darstellt, ist genauso anstrengend, wie wenn eine Mutter das alleine stemmen muss (und das schreibt er auch) – und wir sind zu viert. Deswegen wäre unsere Geschichte als Buch vielleicht auch nicht so toll zu lesen, weil sich ständig alle fragen würden – wo ist euer Problem? Wir haben ja kein nennenswertes.
Jedenfalls habe ich großen Respekt vor Leuten, die mit weniger als vier Erwachsenen ein Kind großziehen, und mit dem Autor kann ich mich besonders gut identifizieren, weil er auch ein Vater ist. Vielleicht will ich deshalb jetzt auch mal die Nächte ganz allein machen, weil ich das auch können will.
Das Kind im Buch wurde natürlich auch nur kurz gestillt, sonst wäre das nicht gegangen. Und ich bin schon sehr froh darüber, dass bei uns alles zusammen ging: Keine Überbelastung für die Biomutter und trotzdem das Stillen, das sich nach wie vor sehr natürlich anfühlt und das ja in vielerlei Hinsicht auch sehr praktisch ist. Wenn wir jetzt den geschilderten nächsten Schritt angehen, birgt das auch Gefahren. Denn Kikos und Yurikos Beziehung hat ja viel mit dem Stillen zu tun. Ich bin sicher, dass die beiden auch ohne Stillen dicke Bande hätten – sicher wäre es auch schön für Yuriko, ihre Tochter ein bisschen autonomer zu erleben – aber vielleicht fühlt es sich auch ein bisschen getrennt an, wenn Yuriko dann die ersten Wochen ganz ohne Kiko schläft. Und bei mir besteht immer die Gefahr, dass ich so stolz auf meine ersten allein überstandenen Nächte bin, dass sich eine Überheblichkeit einstellt und ich Yuriko gegenüber nicht mehr diesen grenzenlosen Respekt aufbringe, den ich jetzt habe, weil sie immer für unser Kind da ist. Ich weiß es nicht, ich kann eben einfach auch ganz schön selbstgefällig sein.
Vielleicht dazu passend hab ich noch ein Thema, über das ich seit ein paar Tagen schreiben will. Ich hab ja das Gefühl, dass ich das gut hinkriege mit Kiko in den Zeiten, in denen ich mich um sie kümmere. Seitdem ich sie zu Bett bringe, hab ich noch mehr dieses Gefühl.
Die Zeiten ohne Kiko genieße ich aber weiterhin auch sehr. Hab ich ja schon erwähnt, dass ich unglaublich gern an meinem Schreibtisch meinen verschiedenen Arbeiten nachgehe, die bezahlt werden oder kreativ sind oder sich sonst wie wichtig und richtig anfühlen. Ich freue mich auf jede Zeit ohne Kiko, obwohl ich so begeistert über sie und so stolz auf sie und uns bin.
Jetzt ist es so, dass die anderen den Umgang mit Kiko offensichtlich genauso gut hinkriegen. Sowohl tagsüber als auch beim Ins-Bett-bringen. UND TROTZDEM gibt es da ein ganz seltsames Gefühl, und zwar: Die anderen tun mir ein bisschen leid, wenn ich ihnen Kiko übergebe, meine „Schicht“ zu Ende ist und ich meinen Dingen nachgehen kann.
Ganz merkwürdig.
So á la: „Für mich ist es zwar eine Herausforderung, das Kind zu haben, aber ich kriege es gut hin. Ihr habt es vielleicht schwerer mit ihr, ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ihr mit dieser Herausforderung auch so euren Frieden macht wie ich“.
Und das ist nicht so. Oder? Es sieht wirklich nicht so aus. Das ist doch Selbstgefälligkeit.
Vielleicht geht’s mir zu gut mit unserem Kind?
Schreibt doch auch mal wieder was, liebe Co-Eltern.