Every Breaking Wave

Vier Elternteile bedeutet auch vier verschiedene Musikgeschmäcker. Und seit Weihnachten spielt Musik eine große Rolle bei uns. Irgendwie sind mehrere Kinderlieder-CDs aufgetaucht: „Bam Bam Band“ und „Kleine Hexe Luzi Lindwurm“ zum Beispiel. Beides läuft bei uns permanent rauf und runter („kommt der Oberfördster Hamann – macht Radau am Gartentor – zaubert sie ihm itzi bitzi- eine kleine Frau ins Ohr“), und manchmal hören wir auch „Erwachsenenmusik“ – ein Wort, dass Kiko sofort ihrem Wortschatz hinzugefügt hat. Da gibt es das Radio, in unserem Fall meist „Radio Sputnik“, das auf mich wirkt wie ein stark verdünnter Abklatsch der Radiosender, denen ich als Jugendlicher gelauscht habe (SWF 3 zum Beispiel), und wo original die ganze Zeit dasselbe kommt. Schalte ich nach drei Wochen mal wieder ein, wirkt die Playlist fast identisch. Kiko findet es trotzdem nett. Aber nicht so nett wie die Musik, die ich ihr, ebenfalls seit Weihnachten, mit einigem Erfolg und einigem Haareraufen seitens der anderen Eltern nahebringe: U2, „Songs of Innocence“, genau, die Platte, mit der es sich U2 bei fast allen verdorben hat, weil sie spamgleich an 500 Millionen i-Tunes User verteilt wurde, kostenlos, ob sie wollten oder nicht. Ich bin kein i-Tunes-Abonnent und habe sie mir tatsächlich vom Christkind kaufen lassen, und ich finde die Platte total geil. Und Kiko jetzt auch. „Every Breaking Wave“ ist ein tolles Lied und auf der CD als Original- und als Akustikversion drauf; zu beidem können Kiko und ich schön zusammen tanzen. Seit zwei Wochen sagt sie von sich aus den Titel, hört sich so an wie „äwi beki wäf“.

Gestern Abend in meiner gemütlichen 16:30-Uhr-Schicht mit ihr saßen wir auf dem Sofa und haben mal wieder U2 gehört und uns zusammen das Cover angeschaut. Sie hat mich immer wieder gefragt, wie die vier Leute da heißen, und dann habe ich erklärt, dass sie zusammen U2 heißen (kann sie auch schon sagen) und dass der eine Bono und der andere Edge heißt. Bei den anderen musste ich im Booklet nachschlagen. Sie heißen Adam und Larry; ich weiß aber nicht, wer von den beiden wer ist, das habe ich ihr auch gesagt. Das Booklet fand Kiko aber auch toll, weil es nämlich zwei sind (eins für sie und eins für mich), die sich ewig lang ausklappen. Mit Kind sind einfach Sachen toll, die einem vorher gar nicht auffallen. Wie genau wir uns das U2-Gruppenbild angeschaut haben (siehe hier das Innencoverbild): Dass Bono eine Brille hat und zwei (nicht nur eine) Ketten um den Hals. Dass alle schwarze Jacken haben. Dass Bono einen Ohrring hat und der linke Typ auch. Dass die Jacken Reißverschlüsse haben, die das Licht reflektieren, sowie ein paar Knöpfe. Dass Bono schon alt ist und einen Bart hat, Edge auch, wie A-lex und ich, die wir deshalb manchmal pieksig sind beim Gute-Nacht-Kuss. Das haben wir alles enteckt, und dann kam ein Lied, da hat Kiko erklärt „Das mag ich nicht!“ und dann hat sie die „weiter“-Taste am Ghettoblaster gedrückt (sie kann schon lange ein- und ausschalten).

Dann ist Kiko noch eine Weile von der Sofalehne gesprungen und dann sind wir zu ihrer Oma gegangen, um der ein Abendbrot zuzubereiten.

Wenn Kiko selbst singt, kommt übrigens oft „im Frühtau zu Berge wir ziehn Fallera“ raus…

Blöde Trennerei.

Im Dezember habe ich mehr als einmal gedacht: ‚Wie würden wir das machen, wenn wir NICHT zu viert wären?’ Da ist Yuriko eine ganze Weile ausgefallen, war für uns alle gar nicht lustig. Aber Kiko hat so wenig darunter gelitten wie nur möglich. Erst konnte Yuriko ein paar Tage lang keine Kiko-Schichten und –Nächte machen, dann musste sie in eine Klinik. Zu dritt ist es nicht viel mehr Kinderbetreuungsarbeit als zu viert; jeden dritten Tag kommt eine Schicht dazu und ich bin ein bisschen früher wieder mit der Nacht dran. Wunder der Mathematik, ein Drittel ist kaum mehr als ein Viertel; ich glaube, mein Staunen darüber habe ich bereits ein andermal zum Ausdruck gebracht. Wir haben inzwischen auch etwa drei potenzielle Babysitter*innen am Start, mit denen Kiko gern zusammen ist bzw. von denen sie hellauf begeistert ist – das ist dann auch cool an unserem Gemeinschaftsdorf hier, dass das leicht zu organisieren ist.
Was an der Gemely-Konstruktion doof ist, ist die ständige Trennerei vom Kind. Mich lässt Kiko nicht so gerne gehen. Wenn ich ihr erkläre, was ich gleich ohne sie machen werde, sagt sie gerne „ich komm mit“. Manchmal geht das (Gang in die Speisekammer oder aufs Klo, oder meiner kranken Mutter Essen machen), manchmal nicht (arbeiten, mal eben ganz fix mit dem Rad losfahren und ein Brot aus dem Brotlagerschrank holen). Glücklicherweise findet sie meinen Mittagschlaf meistens nicht so spannend und lässt mich ohne Widerworte ziehen. Einmal habe ich sie auch dazu mitgenommen, da lag sie dann 15 Sekunden ruhig neben mir, bis sie sich aufgesetzt hat und anfing, mir Schlaflieder vorzusingen – und schließlich meinen Kopf hochdrückte, damit ich wieder aufstehe.
Jedenfalls ist es total blöd, wegzugehen, wenn Kiko das nicht will und weint. A-lex sagt ganz richtig, dass sie damit gleich wieder aufhört, sobald ich weg bin. Das glaube ich auch. Manchmal sehe ich Kiko mit ihm oder Emma aus der Ferne und sie ist zufrieden und entspannt. Aber für mich ist das doof, die Trennerei. Ich fühl mich blöd damit. Deshalb lasse ich sie auch ganz gern nochmal mitkommen, wenn ich zum Beispiel kurz irgendwo hinmuss und sie mitwill, auch wenn es gar nicht mehr in „meiner“ Kinderzeit liegt. Natürlich mache ich das nicht, wenn A-lex, Emma oder Yuriko gerade mit ihr beschäftigt sind. Aber abends zwischen halb sieben und acht ist ja zum Beispiel sowas wie Kinderbetreuungs-Niemandsland. Da nehme ich sie dann vielleicht mal mit, um meinen Bauwagen anzuheizen, obwohl zum Beispiel Emma die Nacht macht und ich ihrem Gesicht anzusehen glaube, dass sie findet, dass das jetzt doch gar nicht nötig wäre, so sehr auf das Kind einzugehen – Kiko könnte ja auch mal lernen, dass es ganz normal ist, dass Erwachsene rausgehen und ein paar Minuten später wiederkommen. Aber mir setzt es halt zu, mich von der Kleinen zu trennen, wenn sie das lieber nicht will.
Vor allem sind natürlich die Situationen schwierig, in der meine Schicht zu Ende geht und eine andere anfängt. Da gilt es, der nachfolgenden Person eine Möglichkeit zu geben, gleich mit Kiko einzusteigen, damit ich dann gut gehen kann, ohne Tränen. Da Yuriko nach wie vor Kikos Obermami ist, ist es mit ihr am wenigsten ein Thema. Mein Impuls wäre eigentlich, einfach wegzugehen, sobald Kiko anderweitig beschäftigt ist – davonschleichen. Ich hab mich aber von den anderen überzeugen lassen, dass es besser ist, Kiko klipp und klar zu sagen, dass ich jetzt gehe. Auch wenn sie das manchmal meisterhaft ignoriert und mich keines Blickes würdigt, wenn ich da stehe und verkünde, dass ich jetzt gehe. Yuriko verabschiedet sich immer sehr gründlich von Kiko, setzt sich hin und erklärt es ihr… Dabei habe ich auch ein komisches Gefühl. Dadurch muss sie sich das ja richtig reinziehen, das was Doofes passiert (=dass Yuriko geht). Aber keine*r von uns weiß letztenendes, wie es Kiko womit wie gut geht.
Oft klappt es reibungslos, dass Kiko nach dem Aufwachen mit mir sich zum Beispiel neben Emma auf die Küchenarbeitsplatte setzen lässt und mit ihr den Morgensmoothie zubereitet, Pülverchen hiervon, Löffelchen davon. Und ich dann Tschüss sage und in mein Büro gehe.
Oder dass sie nachmittags schon angefangen hat, mit A-lex Bauklotz-Türme zu bauen, während ich mir noch einen Kaffee gekocht habe. Und dann kaum reagiert, wenn ich gehe. Das sind jedenfalls die guten Abschiedsmomente. Ich überlege schon, wie ich doofe Momente vermeiden kann. Nicht nur wegen Kiko, wie gesagt. Sondern wegen mir. Doofe Trennerei.

Kilysses

(18:30 Uhr) …Abendessen Kartoffeln, Suppe, Sauerkraut im Salatblatt, interessiert alles nur beschränkt. Lieber auf der Bank rumlaufen und hinter Heikos Rücken verstecken, dann runter auf den Boden und da die Buchstaben in Schüsselchen packen…
Heiko redet vom Baden und dass wir eine Schüssel mit in die Wanne nehmen könnten.
Ich hole große Spülschüssel, schwer! Heiko sagt, die ist zu groß, holt eine kleine Plastikschüssel. Emma sagt, nimm eine ohne Deckel, die kann dann im Bad bleiben.
A-lex geht arbeiten, Emma sagt gute Nacht.
19:00 Mit Heiko ins Bad. Zwischen Haus und Bad ist es kalt, er zeigt mir den Mond, heute ist er ganz groß und rund. Ist eine Spinne in der Wanne? Nein, heute nicht. Wasser rein. Spritzt und dampft! Heiko zieht sich aus und dann zieht er mich aus. Hurra, Nackedei. Huch, der Steinboden ist wieder kalt, wie am Montag. Auf den Holzbrettern sind die Füße warm. Na, so was! Heiko geht in die Wanne, ich aber nicht! Ich muss noch auf dem Boden hüpfen und im Bad herumrennen.
Heiko plantscht mit Flaschen und der Schüssel. Schon interessant. Aber ich will nicht ins Wasser. Aber die Flaschen…? Ach jetzt will ich doch rein. Das Pferdchen kommt mit! In die Schüssel damit. Waschen. Ich brauche Seife! Pferdchen waschen. Er macht Seife auf seine Haare und gibt mir was von dem Schaum. Ich brauche mehr! Heiko gibt mir etwas Seife. Und da sind noch andere Seifenflaschen, ich will was davon. Heiko gibt mir was und sagt, das ist was Besonderes, richt ganz gut. Riecht wirklich! Er sagt, damit kann ich den Bauch einseifen. Gute Idee, mach ich. Bauch riecht gut und wird ganz sauber. Er wäscht mir auch den Popo damit. Da ist noch eine andere Seifenflasche, will ich auch probieren! Riecht auch gut. Auch Bauch einseifen. Jetzt plantscht er mit den Flaschen, ich auch! Aufs Pferdchen drauf. Pferdchen kann sich in die Flasche setzen. Wasser drauf! Das könnte ich ewig machen. Wasser trinken! Heiko guckt komisch, da trinke ich gleich noch viel mehr von dem Badewasser. Irgendwann setze ich mich hin. Warmes Wasser! Auf Heikos Bauch spritzen. Er quiekt! Mach ich nochmal und nochmal.
Irgendwann steht er auf. Ich darf den Stöpsel ziehen. Heiko trocknet sich ab und mich auch. Handtuch mit Kapuze. Heiko zieht sich an, ich nicht! Kerzen auspusten, das ist aber schwierig. Heiko sagt, ich soll aufpassen, nicht so nah rangehen. Ich puste wie verrückt, irgendwann gehen sie aus. Heiko nimmt alle Sachen und mich auf den Arm und wir gehen ins Haus. Draußen ist es kalt!
Im Haus: Aufs Sofa. Heiko fragt, ob ich aufs Töpchen will, nein! Windel anziehen, na gut. Schlafanzug anziehen. Hausschuhe, nein! Essen!
Jetzt esse ich noch ganz viele Kartoffeln. Heiko wundert sich. Dann gehe ich nochmal zu meinen Spielsachen, Heiko putzt seine Zähne.
Dann putzt er meine Zähne. Erst ich selber! Dann er. Ich mache den Mund auf. Gar nicht schlimm. Heiko hat ja erklärt, dass die Zähne sonst kaputt gehen, wenn man sie nicht sauber macht. Sauber und kaputt kenne ich gut. Hände werden mit Wasser sauber und manches, was kaputt ist, „kann man nicht reparieren“.
Nach dem Zähneputzen, ausspülen: Wasser ins Waschbecken spucken. Nochmal! Nochmal!
Jetzt kommt A-lex und sagt, oh, noch da? Ist schon neun Uhr. Heiko sagt, wir gehen jetzt auch hoch und irgendwas von „hat viel Energie heute“ oder so.
Oben im Schlafzimmer, ich mach das Licht am Bett an! Ganz hell! Heiko macht das große Licht aus und zieht sich aus und legt sich hin. Buch anschauen! Noch eins, noch eins, noch eins, alle aufs Bett tragen. Hinsetzen. Decke! Kuscheln. Hinsetzen. Aufstehen, auf der Matratze balancieren. Höhle. kuscheln. Hinsetzen. Heiko hört immer auf zu lesen, wenn ich wieder aufstehe. Wenn ich wiederkomme, liest er weiter. Dann sagt er „bleib doch mal liegen!“ Hinsetzen. Decke! Kuscheln. Hinsetzen. Anderes Buch. Immerhin, das Froschbuch, da bleibe ich liegen. Der Frosch springt in den Teich. Badehose an. Und der Frosch quakt im Duett. Und der Frosch schläft auf dem Blatt. Buch aus? Weiter lesen. Nochmal. Decke. Hinlegen. Dann weiß ich nicht mehr was passiert ist. (22:00 Uhr).

Bevor ich wieder aufwache, träume ich von Chia-Brei und essen und trinken.

(8:15 Uhr) Als ich die Augen aufmache, ist Heiko auch schon wach. Runter gehen! Da ist schon Emma. Hat den Ofen angemacht. Gleich anziehen, neue Windel bekomme ich auch. Ich will nicht aufs Töpfchen gehen. Emma gibt mir eine B12-Tablette, au ja! Jetzt: warme Milch! Emma macht mir Milch warm. Heiko isst Marmeladenbrot, ich will auf seinen Schoß und Marmelade naschen, Emma sagt was, das klingt nicht so gut. Dann macht Heiko mir ein eigenes Stück Brot. Wasser trinken. Runter. Emma ist bei mir, Heiko sagt Tschüs und geht weg. (9:00 Uhr)

[Pilze sammeln mit Emma…]

11:00 Uhr: Ich esse Brot mit Tahin mit Emma. Heiko kommt. Schoß! Mehr Brot. Noch ein Brot mit Tahin. Die Sonne scheint, Heiko und Emma sagen so schön, so gemütlich, tolles Wetter. Emma geht weg. Heiko will raus gehen. Mehr Brot! Brot komm mit raus! Heiko macht mehr Brot, ich hole eine Schüssel für das Brot. Rausgehen, ich will gar nicht, Heiko geht raus und fegt vor der Tür, ich auch! Ich laufe raus, aber Heiko muss mir erst Hose anziehen, Schuhe, Jacke, Mütze, Brot komm mit. Draußen: Regenschirme in das Gitter stecken. Helfen! Heiko geht weg, Holz hacken, ich gehe hin, er sagt, ich kann das Holz in die Kisten legen. Mache ich, passt aber nicht viel rein, wenn ich es in die Kisten lege. Sieht auch anders aus als sonst. Heiko hackt so lange großes Holz am anderen Hackklotz. Heiko holt eine große Kiste fürs große Holz, als er wiederkommt, bin ich fertig mit sammeln, er freut sich und sagt Dankeschön, ich sage Dankeschön, Bitteschön. Das große Holz muss in die große Kiste, das ist schwer! Heiko sortiert das kleine Holz nochmal und bringt es weg. Dann trägt er die große Kiste weg. Jetzt sagt er was von Lampen, ich auf seinen Arm, komm mit! Er geht in ein kleines dunkles Haus, da ist es ganz warm drin. Er schaut das Licht an, ist viel zu dunkel, brauchen wir anderes Licht. Er geht wieder zu seinem Bauwagen, ich bin auf seinem Arm, im Bauwagen sind noch Lampen aber er sagt was von Bestellen und na gut. Na gut!
Jetzt trägt er mich nach vorne, er sagt Werkstatt und erklärt, dass er da eine Thermoskanne sucht. Thermoskanne! Thermoskanne. Hat er verloren oder vergessen. Wir gehen in die Werkstatt, da ist Johannes. Johannes zeigt mir ein Stück Holz, neulich hat er an diesem Stück Holz gearbeitet, jetzt sieht es anders aus. Neulich hat er mir eine Art Gitarre gezeigt, die sieht so ähnlich aus wie das neue Holz. Aha. Wir suchen jetzt die Thermoskanne. Heiko schaut überall, lässt mich runter, ich schaue in der Kiste, da ist nur Holz, keine Thermoskanne. Harry kommt zu Johannes und die beiden reden. Die suchen nicht die Thermoskanne. Irgendwann sagt Heiko: Keine Thermoskanne. Ich habe immer noch mein Stück Brot. Auf einmal sitze ich im Manduca in Heikos Arm. Auch recht. Wir gehen raus in den Wald. Auch recht. Ich sage Thermoskanne, Thermoskanne, vergessen, singe ein bisschen und dann… weiß nicht. (12:10 Uhr)
13:15 Uhr: Ich bin im Manduca, Heiko trägt Teller, wir gehen zu Oma und bringen ihr was zu essen, auch Löffel und Messer. Dann gehen wir nach Hause und ich darf wieder runter, Jacke und Mütze und Schuhe ausziehen, A-lex und Emma sind auch wieder da…

Gedanken slash Grübeleien

Na so was, jetzt schreiben sie auf einmal alle wieder. Und es ist so schön, von den anderen zu lesen. Da bekomme ich Lust, auch ein paar Zeilen beizutragen. Ich bin gerade sehr verliebt in unser Kind, und obwohl ich ihm überhaupt gar nicht jeden Wunsch erfülle, niemals, ist das ein Thema für mich: Wohin mit der Liebe. Ist es überhaupt Liebe? Es ist so eine komische Sehnsucht, eine Sehnsucht danach, dass Kiko nicht verletzt wird. Ich weiß gar nicht, woher das kommt. Schau ich mir zu viele krasse Serienfolgen oder Filme an (Tatort „Familiensache“ vorgestern, meine Güte!) oder wie komme ich überhaupt darauf, Angst um Kiko zu haben? Manchmal stelle ich mir vor, dass ihr irgendwer weh tun könnte, im Krieg oder so, das ist schrecklich. Und ein bisschen ist das immer dabei. Heute bin ich mit ihr ins nächste Dorf gefahren (Auto), was sie prima fand, hat die ganze Zeit gesungen und erzählt und hat die Tüte von der Apotheke getragen und auf dem Bordstein balanciert. Und ich war die ganze Zeit ein bisschen angespannt – es könnte ja irgendwas passieren, sie könnte auf die Straße laufen oder so… Da habe ich darüber nachgedacht, dass ich wohl auch zu Hause stets ein bisschen angespannt mit ihr bin. Ich kann nicht einfach Heiko sein und faul herumliegen – ich muss verantwortliche Bezugsperson sein. Ich glaube nicht, dass alle Eltern immer dieses Gefühl haben.
Gleichzeitig ist unser Kontakt ausgezeichnet, wir verstehen uns richtig gut, da wird erklärt und gelacht und selbst Anziehen oder Zähneputzen sind gerade überhaupt nicht schwierig. Und ich finde selbst grässlich, dass meine Mutter, die auch hier im Dorf lebt, sich ständig Sorgen um Kiko macht: Weil ich nicht zulasse, dass sie im Schreibwarenladen Schokolade und in der Sparkasse jedes Mal ein neues Stofftier geschenkt bekommt (ich hab den Fehler gemacht, das meiner Mutter zu erzählen), weil ich sie auf dem Stuhl herumklettern lasse, weil das Kind ihrer verqueren Meinung nach nicht warm genug angezogen ist usw. usf.
Lustigerweise hat Kiko seit letzter Woche eine neue Gelegenheitskinderbetreuerin bekommen, eine 16-jährige, die ziemlich zufällig auf Kiko gestoßen ist, die Kiko aber sehr mag und von Kiko auch ganz gefunden wird. Und die – nennen wir sie mal Jasemin – ist anscheinend total locker und souverän mit unserem Kind. Ich hab ein voll gutes Gefühl, wenn die beiden zusammen sind. Und das finde ich irre: Diese junge Frau kriegt das scheinbar leichter hin als ich. Dabei hab ich schon ganz ansehnliche Projekte gestemmt. Vater sein ist nach wie vor ein großes und auch schwieriges Ding für mich.
Als ich mitbekommen habe, dass Jasemin morgen Zeit habe, habe ich ihr meinen ganzen Kiko-Vormittag übergeben. Hab ich mich jetzt gedrückt? Oder ist das erlaubt? Ich hab viel zu tun und die Vorstellung, den Vormittag über zu arbeiten, ist viel entspannter für mich als den Vormittag über das Kind zu betreuen. Irgendwie krass.
Aber dann, auch wieder so ein Gedanke: Wenn ich jetzt nicht in so einem Umfeld leben würde, wo völlig selbstverständlich ist, dass wir uns reproduktive Arbeiten wie Kinderbetreuung teilen; wenn ich ein „normaler“ voll berufstätiger Vater und z.B. Yuriko eine Hausfrau-Mutter wäre, dann wäre es wiederum total normal und sogar perfekt, wenn ich mit Arbeiten-gehen zufrieden wäre (vorausgesetzt, meine Frau wäre gern beim Kind zu Hause). Und jetzt finde ich es „irgendwie krass“.

Neulich (das jetzt der letzte Gedanke für heute) hab ich mich gefragt, ob Kiko gerade in einem Alter ist, das mich besonders herausfordert. Weil sie schon selbständig ist, die Bezugsperson aber noch sehr stark braucht und fordert. Ob es für mich wieder leichter wird, wenn ich in der Zeit mit ihr Lego baue und dabei Geschichtenschallplatten höre, wenn ich wieder etwas lockerer werden kann und nicht mehr so viel Verantwortung trage, weil sie sich dann selbst besser beschäftigen kann und ich nicht versuchen muss, jederzeit für sie nachvollziehbar zu handeln.

Und dann denke ich auch wieder, dass genau die Herausforderungen und die Zweifel, die bei mir immer dabei sind, meine größte Entwicklungschance sind.

Schon wieder Abschied

Und eine Woche später (nämlich gerade eben) gibt’s den nächsten Abschied. Diesmal fahren A-lex und Emma nicht nur für ein Wochenende weg (das hat übrigens bestens geklappt), sondern gleich für 11 Tage. Irland. Mit Zug und Fähre! Ein Arbeitstreffen, zu dem sie Kiko mitnehmen. Diesmal geht Yuriko noch mit zur Bushaltestelle, Kiko sitzt in der Kraxe auf ihrem Rücken, als ich die vier von dannen ziehen sehe… Ich komme wirklich deswegen nicht mit zum Bus, weil mir das zu traurig ist. Die Vorstellung, dass Kiko dann im letzten Moment lieber bei mir und Yuriko bleiben will, statt mit A-lex und Emma in den Bus zu steigen, ist einfach zu krass. Wahrscheinlich wird das auch nicht passieren, aber vielleicht ist das Gegenteil auch nicht leicht zu ertragen. Das hatte ich jetzt in einer milden Form – ich hab mich noch von Kiko verabschiedet, als sie auf meinem Schoß saß und wir ein letztes Bilderbuch zusammen angeschaut haben, ganz entspannt und ausgeschlafen. Dann hab ich sie in die Kraxe gesetzt, ich hab A-lex und Emma gedrückt und kurz darauf sind sie schon alle weggestiefelt – Kiko voll zufrieden in der Kraxe; keine*r dreht sich nochmal um. Ganz offensichtlich kommt Kiko auch mit drei Eltern zurecht – ich war ja auch schon alleine mit ihr weg, da hat auch ein Elternteil gereicht. Ja, wir teilen unser Kind, und manchmal gibt es tatsächlich Situationen, da sind wir einzelne deshalb nicht so lebenswichtig für sie.

Große Momente

Die anderen sind weggefahren, ich bleibe alleine zu Hause. Kiko fährt mit A-lex und Emma nach München, Yuriko fährt zu einer Freundin in der Pfalz, ganz allein in Norddeutschland bleibt Heiko. Ein ganz komisches Gefühl zwischen Glück und Sehnsucht, eigentlich vielleicht Traurigkeit: Als wir auf der Treppe stehen und uns von Kiko verabschieden. Yuriko wünscht ihr eine gute Reise mit A-lex und Emma, ich sage erst nur Tschüs und winke, Kiko winkt zurück und dann will ich doch noch näher zu ihr kommen und um einen Kuss bitten, den ich sogleich bekomme. Yuriko bekommt auch einen, dann hebt A-lex sie hoch und stapft mit Handkarren und Emma in Richtung Bushaltestelle. Er trägt Kiko weg und sie lässt es zufrieden geschehen, fängt gleich an, etwas zu erzählen und dreht sich nicht mehr nach uns um. Ich kann den Kopf nicht abwenden; als sie von der Veranda aus nicht mehr zu sehen sind, gehe ich ins Haus und erhasche noch einen Blick aus dem Fenster – Kiko schaut nicht zurück. Sie ist bei ihren Eltern, sogar bei zweien, und ist zufrieden. So konkret fühlt sich gemeinsame Elternschaft nur selten an.

Danach räume ich die Küche auf: Stofftiere, Bücher, Malkreiden, Plastikfläschchen mit Plastikbuchstaben gefüllt, Papierschnipsel, Tupperschüsseln, Küchensiebe, ein Topf und die von A-lex auf Papier gemalte Herdplatte. Den Rest Dinkelmilch in ihrem Fläschchen und zwei angenagte Äpfel nehme ich mit in mein Zimmer, Äpfel esse ich im Laufe des Vormittages und die Milch kommt später in den Kaffee. Die anderen haben mir jeweils drei ganz tolle Tage allein gewünscht – ich werde sicher gut arbeiten können. Aber ich werde vor allem auch merken, was wir so ganz alltäglich für ein gutes Leben haben als Eltern mit Kind.

Wir haben es ja geschafft, nicht mal über unseren gemeinsamen Gemely-Urlaub zu bloggen. Wir sind mit dem Zug weit nach Italien gefahren, noch südlich von Rom. Hat alles bestens geklappt. Sandburgen gebaut, Pasta gegessen und viel gesehen. Spaziert und gelesen und ganz entspannt mit Kiko gewesen. Die gemeinschaftlich gesehen spannenden Herausforderungen liegen vor uns: Eine unserer Mitbewohnerinnen ist schwanger und nächstes Jahr wird es ein weiteres Kind geben. Der Vater lebt nicht in unserer Gemeinschaft, deswegen ist nicht ganz klar, wie das aussehen wird, aber wahrscheinlich wird das Baby meistens in unserer Gruppe sein und für Kiko so was wie ein Geschwisterkind sein. Es ist noch eine Weile hin und vielleicht können wir sie ja dafür gewinnen, darüber zu schreiben, wie es sich anfühlt, neben uns ein Kind zu bekommen. Wir haben auch angeboten, sie irgendwie in unser „Konzept“ zu integrieren, aber das scheint nicht angesagt zu sein. Joel wird dann der einzige Mensch in der Gruppe sein, der nicht verbindlicher Elternteil (im Sinne von festen Absprachen) ist (sie hat schon einen richtig guten Draht zu Kiko!), und sie hat bereits ausgesprochen, dass sie das Verschwinden der letzten reinen Erwachsenen-Räume befürchtet. In letzter Zeit haben wir dieser Gefahr etwas entgegengesteuert und zum Beispiel endlich mal Kinderbetreuung organisiert. Unsere wöchentlichen Treffen finden seit wenigen Wochen tatsächlich ohne Kind statt. Das ist uns offensichtlich schwergefallen, Kiko wegzugeben, jetzt ist sie zwei Jahre alt und macht die ersten Babysitting-Erfahrungen.
Wenn dann aber noch ein Kleinkind da ist, wird der Anspruch auf reine Erwachsenenräume jedenfalls herausgefordert. Ich würde mir wünschen, dass wir an diesem Anspruch nicht festhalten, sondern eher lernen, auch mal zwischendurch Entscheidungen zu treffen und (vielleicht nicht mit allen) emotionale Räume zu pflegen, ohne diese reinen Erwachsenenrunden einzufordern. Mit dieser Forderung machen wir uns wahrscheinlich nicht glücklich. Wenn ich das schreibe, hat das allerdings einen vielleicht bitteren Beigeschmack für die anderen, weil ich in unserer Gruppe sowieso schon immer meine Schwierigkeiten mit ritualisiertem emotionalen Austausch habe – aber wie soll das gehen, entspannte Räume für Erwachsene mit Babys und Kleinkindern in der Gruppe? Vielleicht hab ich mich auch noch nicht genug damit angefreundet, dass sich andere um unsere Kinder kümmern. Komisch, oder, dass ausgerechnet ein Co-Vater Probleme damit hat, sein Kind von anderen betreuen zu lassen…?

Rückblick

Bald ist unsere Tochter zwei Jahre alt, solange sind wir also schon Eltern. Es hat mein Leben insofern verändert, als dass es da jetzt immer eine Verantwortung gibt, die mitgedacht werden will. Und es gibt immer wieder Zeiten in meinem Leben, da muss ich ganz anders denken als in der Erwachsenenwelt. Da sind plötzlich raschelnde Sachen, Löcher im Sand, alles was mit Wasser zu tun hat und sämtliche Tiere interessant – statt E-Mails, Deadlines und zufriedene Kund_innen.

Dadurch, dass wir Kiko zu viert aufziehen, habe ich beides weniger oft als andere Eltern, empfinde es aber trotzdem schon als Herausforderung. Auch, wenn diese Herausforderung mehr als aufgewogen wird durch diese unglaubliche Präsenz, die Kiko in meinem Leben darstellt – eine Präsenz, die mich mein Leben intensiver spüren und hinterfragen und leben lässt. Im Gegensatz zu Meditation oder Yoga oder Rückenübungen (zu diesen Dingen kann ich mich nicht aufraffen) kann ich mich vor Kiko nicht drücken, und wahrscheinlich ist das gut.

Wenn ich überlege, wie die letzten zwei Jahre mit ihr waren, habe ich erstaunlich wenig Erinnerungen an ihre jeweils letzte Entwicklungsphase. Wie war das, als sie noch nichts sagen konnte??? Noch nicht laufen??? Ich weiß es kaum noch. Sie ist da, heute, gerade, und fordert mich JETZT (das ist wohl der Grund, noch weitere Kinder zu kriegen).

Kiko sagt jetzt immer ganz routiniert Tschüss, wenn die Eltern wechseln. Aber sie ist auch launisch und macht ganz schön Rabbatz, wenn sie was nicht will. Um ein bisschen heulen hier und da kommen wir überhaupt nicht herum, das scheint absolut dazuzugehören. Es gibt keinen Grund, sich davor zu fürchten. Das macht es wiederum leichter vorstellbar, doch ein paar Routinen reinzubringen, was das Essen oder schlafen gehen angeht. Wenn Kiko sowieso irgendwann heult (wenn sie nicht schlafen oder Zähne putzen will oder aus/umgezogen werden muss), dann kann sie auch heulen, weil wir ihr eine Struktur vorgeben, die ihr letztlich oder langfristiger auch gut tut.

Seit Yuriko nicht mehr stillt, scheint Kiko sich mehr für Emma zu interessieren. Kann das wirklich sein? Wir beobachten es. Yuriko scheint jedenfalls ganz froh darüber zu sein und hat neulich Gin Tonic mit mir getrunken (Alkohol, wieder erlaubt!). Ich finde das auch gut. Nach meinem 8-Tages-Einsatz habe ich mich mit den zwei Stunden täglich etwas schwer getan, allerdings nicht, weil es mir zu wenig war, sondern eher, weil ich die zwei Stunden umschalten (s.o.) nicht mehr so gut hinkriege. Ich wollte Kiko ja mal halbe Tage lang nehmen und dann immer im Wechsel einen Tag nicht, fällt mir ein. Vielleicht geht es jetzt in diese Richtung, dann kann Kiko auch mehr mitlaufen im Alltag, als dass ich sie zwei Stunden zu bespaßen versuche…

1/1-Vater wieder da

Nach der ersten Nacht wieder allein, ich hab geschlafen wie ein Stein, habe ich Kiko gleich so ein bisschen vermisst und es hat sich auch ein wenig so angefühlt, als ob mir die Verantwortung fehlt, die ich die letzten acht Tage für sie zu tragen hatte. Wir haben viel erlebt – ich habe meiner Gemely in den wachen Nachtstunden immer haarklein per E-Mail erzählt, wann und wie die Kleine Pipi und Kacka gemacht hat (das geht nämlich jetzt mit Töpfchen und so; selbst im Zug sind wir immer aufs Klo gegangen und sie durfte dann den Knopf drücken zum Spülen; das Händewaschen danach war auch ein wichtiges Ritual), wie sie sich mit ihrem Babycousin und den anderen Kindern verstanden hat, die wir besucht haben (ganz gut, aber durchzogen von „meine meine!“-Anwandlungen) und was wir so erlebt haben (selber mit Schwimmflügeln im Schwimmbad im tiefen Wasser gestrampelt, Kühe gesehen, Pfützen zertrampelt, Zug gefahren (gestern 10 Stunden!), Opa getroffen, Boote gesehen, Ringereihe getanzt, geschaukelt und geturnt…). Ich habe also schon viel Bericht geschrieben und will jetzt lieber nochmal schauen, was das für mich bedeutet hat. Ich war ja Wochen vorher schon aufgeregt. Und gestern im Zug, als ich es sehr anstrengend fand (Kiko war eigentlich die ganze Zeit gut drauf, hat gefuttert, geturnt und gespielt), hab ich auch gedacht: „Warum tu ich mir den Wahnsinn an?“ Ich bin ja gar nicht dazu gekommen, was für mich zu tun, außer Krimi zu lesen, wenn Kiko tagsüber geschlafen hat (45min bis 2 ½ Stunden täglich) oder nachts ein bisschen zu schreiben oder mal zu duschen. Immer nur gucken: was braucht das Kind? Weil ich genau weiß, dass es mir auf jeden Fall schlechter geht, wenn sie unglücklich ist und ja niemand anderen hat als mich, um Trost zu suchen. Also will ich immer lieber eine zufriedene, ausgeschlafene Kiko als selber auf einen Berg zu steigen, wenn sie nicht mitwill.
Aber: Insgesamt war es auf jeden Fall eine sehr lohnende Bemühung. Es war schön mit ihr, ich habe die Zeit und eben auch die Orte und Leute, die wir besucht haben, sehr intensiv erlebt, und ich bin zufrieden mit mir. Ich bin wahrscheinlich der, der mich gerade am meisten dafür bewundert, dass ich das so gemeistert habe – aber das reicht ja auch. Ich habe mal mitbekommen, wie sich die Tage aus Kikos Sicht so anfühlen, was für eine Fülle von Eindrücken das sind, sie ihr begegnen, und wir hatten einfach einen schönen Kontakt, immer wieder – zwischen den langen Strecken, in denen Kiko ganz einfach ihr eigenes Ding gemacht und mich höchstens mal zwischendurch gebraucht hat, um eine störrische Decke auseinanderzufalten oder ihr aus einer Kiste wieder rauszuhelfen, in die sie sich hineingesteckt hatte.

Kiko hat auf der ganzen Reise übrigens gar nicht nach den anderen Eltern gefragt. Yurikos Namen habe ich nicht erwähnt und auch alle anderen Anwesenden gebeten, es nicht zu tun. Vielleicht war das eine unnötige Vorsichtsmaßnahme, aber ich hatte echt Sorge, dann nicht mehr zu genügen, wenn sie plötzlich die Biomutter vermisst. Gestern im Zug habe ich ihr dann erklärt, dass wir am Abend A-lex, Emma und Yuriko wiedersehen werden… Und auch, dass es bei Yuriko jetzt keine Milch mehr aus der Brust zu trinken gäbe (die sonst so wichtige „Mimi“). Das hat sie sehr entspannt zur Kenntnis genommen, und auch das Wiedersehen war entspannt. Sie hat sich gefreut, die anderen wiederzusehen, besonders Yuriko, aber sie ist auch nicht ausgeflippt. Sie war auch die ganze Woche voller Vertrauen, dass ihr weiterhin Gutes passiert und dass es überall, wohin sie geschleppt wird, was zu Entdecken gibt.

Den zweiten Teil meiner Reise habe ich bei einer Familie mit zwei Kindern verbracht, von denen eins so alt ist wie Kiko. Mit zwei Kindern und nur zwei Eltern ist das Leben natürlich anstrengender als bei uns und die Kinder bekommen nicht ganz so viel Aufmerksamkeit wie Kiko – und das ist ja für uns und unsere Beobachter_innen ja oft auch eine Frage, ob Kiko nicht zu viel Aufmerksamkeit bekommt – und auch mehr Regeln vorgesetzt. Das habe ich schon auch gemerkt, dass Kiko da ein ganz schöner Freigeist ist, die z.B. das Essen auch unterbrechen und später wiederkommen darf, während es für andere vorbei ist, sobald sie aufgestanden sind. Ich erlaube ihr auch, auf dem Hochstuhl herumzuturnen oder auf dem Sofa wild herumzuhüpfen, wenn sie nicht gerade müde und unkonzentriert ist. Ersteres, weil mir egal ist, wie lange das essen mit ihr dauert, wenn eh ich verantwortlich bin, zweiteres, weil ich durch die viele regelmäßige Zeit mit ihr sehr genau weiß, was sie kann.
Es gibt aber auch Sachen, da machen wir die Sache eventuell komplizierter als nötig, durch unsere Vierer-Entspanntheit, und zwar vor allem das Zu-Bett-bringen. Das dauert bei uns lange bis ewig, es passiert sehr spät (manchmal erst gegen 21:00 Uhr) und es ist einfach nicht damit getan, Kiko hinzulegen und dann wieder zu gehen. Joel hat schon öfters leise angemerkt, dass andere das effektiver hinkriegen, aber bisher scheinbar Hemmungen gehabt, uns konkret zu sagen, was sie anders machen würde: das frag ich sie demnächst mal.
Jedenfalls: Nach sieben Nächten hintereinander war das Insbettbringen das, was mich am meisten genervt hat. Dass aus dem herumturnenden Duracell-Häschen jemals ein leise schnaufendes Müderle wird, das scheint jeden Abend aufs Neue ungewiss, aber da ich zu Hause nur alle vier Nächte mit diesem Problem zu tun habe, ist es dort nicht so groß. Da könnten wir uns vielleicht darauf einigen, irgendwie… (bitte hier selbst Metapher suchen… im Sinne von „die Zügel anzuziehen“, aber gewaltfreier und konstruktiver).

Die letzte Nacht hat Yuriko mit Kiko gemacht und beide habe ich vorhin recht ausgeschlafen und zufrieden getroffen. Alles wieder beim Alten also. Wir sind wieder zu Hause, ich schreibe vormittags allein an meinem Computer, Kiko ist anderweitig versorgt. Und doch sehe ich der wartenden Schreibtischarbeit etwas gleichgültiger entgegen als noch vor einer Woche…

Vaterfantasien?

Ich werde in unserem inzwischen sehr routinierten Gemeinsam-Eltern-Alltag langsam sehr aufgeregt, denn in zwei Wochen fahre ich alleine mit Kiko weg und zwar für eine ganze Woche! In die Berge zu meinem Bruder, der inzwischen Vater eines halbjährigens Zwergs ist. So lange war noch kein Elternteil allein mit Kiko unterwegs und außerdem wird danach nicht mehr gestillt – wir werden unzertrennlich sein, Kiko und ich. Machen sich da Vaterrollenfantasien in mir breit? Und wenn schon. Es sind nur Fantasien, das merke ich doch, wenn ich glücklich alleine meine Arbeit tun oder lesen oder mich mit Yuriko treffen kann… Hmmm. Ich bin so froh, dass Kiko vier Eltern hat. Und auf meine Reise bin ich ja nicht nur jetzt schon stolz, sondern eben auch aufgeregt. Den ganzen Tag verantwortlich, kein Flüchten in die Welt meines Schreibtisches, ein Kind, das vielleicht auch mal traurig nach den anderen fragt… Hoffentlich geht das gut.

Neulich, als Yuriko einen weit entfernten Termin hatte, hat sie mit mir einen Reiseplan samt Kiko geschmiedet, der uns vier Tage von A-lex und Emma getrennt hat. Allerdings hatten wir das gar nicht groß mit den beiden abgesprochen; irgendwie waren wir davon ausgegangen, dass es immer gut ist, wenn wir Kiko mitnehmen. Außerdem waren die beiden gerade nicht da, als wir die Tickets gebucht haben. Und da haben dann beide später so reagiert, dass wir das in Zukunft gemeinsam beschließen müssten, Kiko hätte schließlich gern auch bei ihnen bleiben können. Es war nicht so, dass ich die beiden als sauer empfunden habe, es war eher so eine Irritation, die mich gefreut hat. Im Alltag ist es ja doch eher so, dass eine_r oder zwei von uns wegfahren und die anderen dann stöhnen, weil sie weniger Zeit für ihren eigenen Krams haben durch die längeren Zeiten der Kinderbetreuung. Und bei diesem Mal ist die Situation quasi gekippt – statt unsere freien Zeiten zu verteidigen wurde mal die Zeit mit Kiko verteidigt. Ich finde das toll.

Meine Kiko-Reise ist aber seit Langem angekündigt und wird von den anderen begrüßt, weil sie in der Woche entweder selbst weg sind oder viel zu tun haben.

Konflikte zwischen Eltern gibt es übrigens auch, zuletzt ein paar Mal aus einer Unsicherheit heraus, wie mit Kikos gelegentlicher Präferenz der Biomutter umgegangen werden soll. Zum Beispiel ist Yuriko mal frühmorgens für drei Tage weggefahren und hat versäumt, das Kiko am vorherigen Tag zu erklären. Kiko kann zwar selbst noch nicht reden, scheint aber zu schätzen, wenn ihr Sachverhalte wie Wegfahren oder Verreisen vorher erklärt werden. Es macht Sinn, sich von ihr zu verabschieden!
Weder Yuriko noch Emma, die die Nacht mit Kiko verbrachte, noch sonst jemand hatte sich überlegt, wie dann der Morgen verlaufen würde, und tatsächlich war Yuriko vor ihrer Abreise zwar früh im Haus, musste aber dann doch weg, bevor das Kind aufgewacht ist. Als ich ihr später gesagt habe, dass ich es besser gefunden hätte, die Kleine aufzuwecken und dann vielleicht beim Stillen wieder einschlafen zu lassen, wurde Yuriko ganz wütend auf mich, weil sie selbst diesen Impuls gehabt, ihn letztlich aber unterdrückt hatte. Unter anderem wohl, um Emma nicht zu brüskieren, die schließlich in dem Moment die Verantwortung für Kiko hatte und oben bei ihr schlief.

So was ist schade; dass wir nicht zu jedem Zeitpunkt blitzschnell einen Konsens zwischen den verschiedenen Impulsen der Kinderbehandlung finden können (natürlich besonders schwer, wenn Emma noch schläft…) und dass wir manchmal aus Sorge, eine_n der anderen Eltern zu brüskieren, solche Impulse unterdrücken. Ich würde ja vorschlagen, dass wir eher die Brüskierung riskieren als einen Elternimpuls zu unterdrücken, aber vor Ort ist das ja meistens nicht so klar. Außerdem können sich die Elternimpulse ja widersprechen. Gestern saß ich noch spät am Esstisch und blätterte mit Kiko durch ein buntes Magazin, obwohl es Emmas Nacht war – sie tigerte unzufrieden herum und es war schon eine direkte Ansprache nötig, um Bescheid zu bekommen, dass sie die Situation eher komisch findet und nicht recht weiß, was sie jetzt tun soll – ihre Zeit war für Kiko reserviert und jetzt saß ich mit ihr auf dem Schoß da und Kiko war zufrieden. Wenn Emma mich gefragt hätte, ob ich die nächste halbe Stunde verbindlich mit Kiko verbringen würde, hätte ich aber auch nicht gern „ja“ gesagt, ich habe genossen, jederzeit das Heft zuklappen und mich von Kiko verabscheiden zu können. Wie will mensch so was lösen?