Urlaub (motivierter Opa)

Jetzt möchte ich aber mal über unseren Urlaub schreiben. Wir sind seit einer Woche wieder zu Hause. Es kommt mir schon wieder lange her vor, dass wir in meiner alten Heimat in den Bergen waren. Wir haben das schon öfters gemacht, uns in Pfronten im Allgäu für zwei Wochen ein Ferienhaus gegönnt, die so genannte „Königscard“ war dabei und mit der konnten wir ohne weitere Kosten Räder mieten, mit der Gondel auf den Berg fahren oder hatten freien Eintritt zum Hochseilgarten. Für mich war das immer ein besonderer Kick, weil ich sehr tolle Erinnerungen an meine Kindheit habe und im Prinzip nie die Notwendigkeit verspürt habe, mich davon irgendwie abzugrenzen. Klar, jetzt bin ich erwachsen und kann viele Erwachsenendinge tun, aber wenn ich dort den Breitenberg hochgehe, kommt es mir manchmal vor, als sei ich 15, mit meinen Freunden Arthur und Jörgi unterwegs und gestern hätten wir zum ersten Mal im Kino „The Wall“ gesehen.

Nachdem wir jetzt schon öfters im Urlaub in Pfronten waren (ich finde hier im Blog allerdings nur 2020 einen kurzen Eintrag dazu), mögen die anderen Eltern und besonders die Kinder das auch sehr gern – man kann halt krass viel machen. Als ich noch dort gewohnt habe, fand ich die vielen Feriengäste kurios, vor allem, dass die immer wieder nach Pfronten kamen, anstatt jedes Jahr einen anderen schönen Ort in der Welt zu erforschen. Jetzt verstehe ich das besser. Ich habe meine Heimat und guten Alltag im Flachland (in meinem Fall nehme ich das in Kauf, weil wir so ein besonderes Dorf hier kultivieren und meine Gemely inzwischen hier lebt; bei anderen ist es vielleicht der Job oder die Familie), aber gern tanke ich einmal im Jahr Berge, Seen, Flüsse, richtiges Wetter (Gewitter!) und was Urlaub halt noch ausmacht: Viel Zeit mit den Kindern und den anderen Eltern, keine Termine, im Moment sein. Dazu tolle Spielplätze, eine genial ausgestattete Bücherei am Ort (am ersten Öffnungstag nach unserer Ankunft haben wir einen Riesenstapel Bücher ins Ferienhaus geschleppt) und ordentliche Backwaren (bei uns hier stehst du mit Süßhunger in einer Bäckerei und gehst dann mit leeren Händen wieder raus, weil es einfach nichts Gescheites gibt).

Unser übliches Ferienhaus war belegt, aber wir haben ein anderes gefunden, in dem es sogar eine Sauna gab. Allein, das zu erkunden und mit verschiedenen Geheimverstecken auszustatten, hat die Jungs einige Zeit beschäftigt. Das riesige Wohnzimmer war dann auch mal eine neue Wohnerfahrung für uns und dann war es auch nur drei Häuser weiter von der Mietswohnung, in der ich aufgewachsen bin, und die Straße runter gab es einen super Spielplatz mit großer Rutsche und Riesen-Klettergerüst, den die Jungs auch ohne uns Eltern besuchen konnten. Also beste Voraussetzungen für einen richtigen Urlaub halt.

Und dann waren wir klettern, wandern, baden, radfahren, chillen, bummeln. Mein Bruder wohnt in der Nähe und mein Stiefbruder mit seiner Familie direkt im Ort – beide tolle Typen mit nettem Anhang, wir haben also etwas Familienanschluss, aber fein dosiert, gerade angenehm. Alle lesen gern, und so sind auch die Stunden zu Hause willkommen (insbesondere Kiko als Fast-Teenagerin hat nicht nur ihren Bücherstapel abzuarbeiten, sondern auch ihr Tagebuch zu füllen. Leider war sie während des ganzen Urlaubs ein bisschen krank). Ach so, und es war Fußball-EM. Bei uns eigentlich sonst kein Thema, im Urlaub war es witzig, das zusammen zu gucken.

Wir sind, wie die letzten Jahre auch, ohne Auto gekommen, nur mit Zug und dann vor Ort mit Fahrrädern unterwegs. Das kann man in Pfronten ausgezeichnet machen, aber dass wir die einzigen sind, die so Urlaub machen, ist ein bisschen traurig. Wenn das auch nur minimal gefördert würde, gäbe es Fahrradanhänger oder Handkarren zu leihen (oder Carsharing, für besondere Fälle), damit man auch mal ne Kiste Bier oder Limo befördern könnte. Aber da der Ort auch ohne Nachhaltigkeitsmarketing bestens belegt ist, interessiert sich die Tourismusbehörde nicht dafür. Ich hab schon mal einen langen Artikel darüber geschrieben, der nicht weiter beachtet wurde. Und so hocken wir auch mal in Bussen, um zu einem See oder einem anderen Königscard-Angebot zu kommen – und tatsächlich, das geht auch.

Weil während unserer Zeit in Pfronten ein Spam-Kommentar auf dieser Website gepostet wurde (ja, mein Laptop hab ich schon dabei, wenn ich wegfahre), kam ich überhaupt nur auf die Idee, hier mal wieder was zu schreiben. „Wie geht es mir?“, hab ich mich noch im Urlaub gefragt? „Erfüllt“, hab ich mir notiert. „Und auch ein bisschen voll“. Speziell die Urlaubssituation ist wirklich kurios: Einerseits bin ich schon froh, dass wir wieder in meinen Heimatort im Allgäu gefahren sind, ich bin da so gern und man kann da so viel machen. Andererseits gibt es speziell im Urlaub nicht die perfekte Balance. Ich kann nicht ganz mein Ding machen, weil wir ja viel zusammen tun wollen, das heißt: Abstimmen, warten, zurückstecken. Aber wenn ich ganz der Papa bin, ecke ich auch an. Das wollen die anderen ja auch nicht, dass ich mir einfach die Kinder schnappe und mit ihnen das mache, was ich gut finde. So ganz Recht kann man es einander wohl nicht machen zu siebt.

Mit den Kindern war es super und mit Yuriko meistens auch, obwohl wir überhaupt kein Problem damit haben, auch mal in unterschiedlichen Allianzen unterschiedliche Standpunkte zu vertreten. Mit A-lex ist so ein Ferienhaus-Urlaub gut machen: Er scheint oft zufrieden, kocht lecker für alle (erinnert sich noch jemand, dass er zu Beginn unserer gemeinsamen Elternzeit ausschließlich roh gegessen hat?), regt sich meist nicht auf und redet nicht so viel Blödsinn (weniger Blödsinn als ich vermutlich). Mit Emma und mir wurde und wird es immer wieder ein bisschen schwierig. Unsere Beziehung ist weiterhin von Spannungen durchzogen, auch wenn sie sich nicht aus der Familie rausgezogen hat, wie ich es ein paar Blogbeiträge zuvor befürchtet habe. Ich nerve sie mit meiner permanenten Planung und wahrscheinlich ist mein Kontrollinstinkt nicht mit ihrem Autonomiebedürfnis zu vereinbaren. Und ich bin angestrengt von ihr. Ich habe immer Zweifel, wenn sie etwas als Fakt erklärt, weil sich das dann bei genauem Hingucken schon öfters in Luft aufgelöst hat (was mir übrigens auch passiert. Gerade erst habe ich eine Wette mit Yuriko verloren, weil ich sicher war, dass Roland Kaiser seine Texte nicht selbst schreibt). Und ich will halt oft Sachen anders machen als sie und bin genervt von ihrer Herangehensweise, die mir kompliziert oder unlogisch vorkommt. Das ist natürlich nicht das Vertrauen, das untereinander schön wäre. Immerhin schaffen wir es meistens, uns zu respektieren. Aber im Urlaub haben wir viel mehr miteinander zu tun. In den letzten Jahren hat Emma oft nur eine von zwei Wochen zusammen mit uns verbracht, um diese Beziehungszuspitzung zu verhindern; diesmal waren wir die ganze Zeit zusammen. Jetzt im Rückblick würde ich sagen: hat doch gut funktioniert. Aber ich weiß schon, dass es oft nicht harmonisch war und anstrengend für beide von uns.

Zum ersten Mal ist dieses Jahr Folgendes passiert:
Wir gehen den Wiesenweg zur Kappeler Alm hoch. Die Jungs haben wenig Lust, sie haben sich mit ihrem Ferientaschengeld gerade erst neues Lego im Spielwarenladen gekauft (derselbe Laden wie zu meiner Zeit, und dann gibt es bei uns in der ostdeutschen Pampa ja überhaupt keine Spielwarenläden, sondern nur das Internet); wir konnten sie  nur zum Mitwandern überreden, indem wir ihr Lego mitgenommen haben, darunter ein Hubschrauber), es ist heiß und es wird genölt. Den Hubschrauber soll ich tragen. Ich fliege natürlich ordentlich herum, samt Hubschraubergeräusch, und dann will der Pilot rauspinkeln und zwar am Liebsten auf Noam oder Ta, was die beiden erfolgreich den Berg hochscheucht.

Eine Familie kommt uns entgegen, der Mann geht erst an A-lex, Kiko und Emma vorbei, dann an den Jungs und dann an mir mit dem Hubschrauber. „Na, das ist aber ein motivierter Opa“ kommentiert er mein Hubschrauberspiel.

OK. Seitdem bin ich der motivierte Opa der Familie…

Kindernacht mit der großen Kiko

Gestern hatte ich die Nacht mit Kiko – alter Gemely-Sprech für „Ich war gestern Abend Kikos Ansprechperson“. Und: Das ist inzwischen immer das reinste Vergnügen. Jetzt hab ich ja vor ein paar Tagen angesprochen, dass unsere Kinder diesen Blog auch mal lesen und beschreiben werden, und jetzt frag ich mich zweimal, was ich über sie schreiben darf. Aber es ist schon so, dass es manchmal ein bisschen anstrengend ist, zwei aufgedrehte Jungs erst zum Reinkommen, dann zum Zähneputzen, dann zum Umziehen und dann zum Hinlegen zu treiben. Kiko macht das alles selbst, und dazwischen kann man mit ihr was spielen (unsere Favoriten aktuell: Das Würfelspiel „The Choice“ und das Kartenspiel „Machi Koro“; ich habe gestern die Erweiterung bestellt), einen Abendspaziergang machen, Tischtennis spielen, Musik von YouTube auf ihr Handy laden (zum Thema Handy dann bald mal ein Beitrag) oder den Greta-Thunberg-Dokumentarfilm gucken (ich glaube, Kiko hat Greta noch nicht gecancelt). Jedenfalls sind diese Abende auch für mich eher nährend als anstrengend. Bill Murrays Figur in „Lost in Translation“ sagt über die eigenen Kinder mal, sie seien die angenehmsten Personen, die man je kennenlernen würde („the most pleasant people you’ll ever meet“ oder so) – ich hab jedenfalls viel Spaß mit Kiko. Wir ziehen uns gegenseitig auf (mich kriegt sie zum Beispiel, wenn sie mich „alt“ nennt, und ich deute gern an, dass ihre Musikvorliebe noch Lücken aufweist), lachen viel, und einen vernünftigen Zeitplan halten wir trotzdem ein. Im Bad braucht sie länger als ich, also nehm ich schon mal unser Buch mit und lese beim Kämmen, Halsketten abnehmen, Zahnseide benutzen und was sonst noch nötig ist. Sie liest zwar wahrscheinlich inzwischen genauso flüssig wie ich, aber Vorlesen ist irgendwie nett. Und wir sind immer noch der Conni treu. Inzwischen ist Conni dreizehn, und eigentlich passiert fast gar nichts. Dass mit ihrem Freund Phillip mal mehr passiert als ein schüchterner Kuss (nachdem er sich hundertmal eine widerspenstige braune Locke aus den funkelnden Augen gepustet hat), darauf kann Papa Heiko lange warten. Außerdem haben wir diese Bücher von Dagmar Hoßfeld auch bald durch. Die Bücher der noch älteren Conni (fünfzehn Jahre alt) hat Kiko schon selbst gelesen (und erzählt, dass da zwischen Phillip und Conni auch nichts Spannendes passiert). Danach lesen wir vielleicht nochmal die beiden Drachenreiter-Bücher und danach kann ich doch eigentlich direkt mit „per Anhalter durch die Galaxis“ weiter machen, oder? Möglicherweise die perfekte Lektüre für uns. Mein Bruder hat seinem jetzt 10-jährigen Sohn „Der Marsianer“ von Andy Weir vorgelesen, das hat scheinbar auch gut geklappt.

Jedenfalls, nach dem Bad lese ich ihr dann noch ein bisschen im Bett vor, so wie früher und wie bei den Jungs, und dann machen wir das Licht aus und dann: Werden noch die Füße massiert. Genau. Ich setz mich im Dunkeln ans Fußende und schenke noch eine ausgiebige Fußbutterbehandlung. Gestern Abend (nach dem Bauen, nach PC-Arbeit, selber lesen und Machi-Koro-Spielen war ich zwar selbst schon unglaublich müde, aber das hab ich noch geschafft. Dann verlasse ich Kikos Zimmer, nachdem ich bestätigt habe, dass sie „zu mir kommen kann, wenn was ist“. Es ist zwar fast nie was, aber wenn sie dann doch mal vor meinem Bett steht, rücke ich zur Seite und schlafe mit ihr neben mir weiter. Geht auch. Nur stehe ich jetzt in der Ferienzeit natürlich wesentlich früher auf als sie. Sie hat Verdunklungsvorhänge und schläft vielleicht bis zehn, und wenn ihr jemand Frühstück bringt, kommt sie manchmal bis Mittag gar nicht raus – es gibt so viel zu lesen, zu malen, zu sortieren, und sie hat ein Vertikaltuch im Zimmer zum Üben. Ansonsten hat sie neulich beschlossen, „Parcours“ lernen zu wollen; neulich war sie im Wald Müll sammeln, manchmal beschäftigt sie sich sogar mit ihren Brüdern. Ihre beste Freundin ist leider verreist.

Es ist jedenfalls schön und einfach und ich bin gespannt, was die Pubertät mit uns machen wird. Über Noam und Ta schreibe ich dann (in drei Jahren, wenn sie in Kikos Alter sind?) gerne mal auch einzelne Beiträge.

Wir bauen

„Morgen“ ist es dann doch nicht geworden, aber immerhin „übermorgen“. Ich hatte gestern die Jungsnacht, da konnte ich nach dem Aufstehen nicht an den Schreibtisch, da schlafe ich auch im anderen Haus mit Ta und Noam. Und sie haben fast bis 8 Uhr geschlafen, hurra! Normalerweise wachen sie gegen 6 Uhr auf, egal, wann sie im Bett waren. Jetzt sind sie also im Ferienrythmus angekommen.

Dieses Haus, in dem oben die Jungs wohnen und unten unsere Wohnküche ist (mehr Platz ist da nicht) haben wir ja von einer Gruppe übernommen, die 2001-2003 sehr konsequent und in gewisser Weise auch radikal ein Haus mit extrem geringem ökologischem Fußabdruck gebaut hat. Da an dem Haus fast kein neues Material zum Einsatz kam, ist das gewissermaßen schon jetzt ein Altbau. Und die Fassade ist komplett mit Lehm verputzt, auch auf der Wetterseite. Das machen wir in unserem Dorf eigentlich nicht (mehr), da pladdert der Regen hin und unsere Fassade schaut auf dieser Seite schon nicht mehr gut aus, nach immerhin über 20 Jahren. Von einer weiteren Lehmschicht hat uns ein Lehmbauer abgeraten, außerdem würde das ja wieder abgewaschen – ich habe also schon vor etlichen Jahren eine Holzfassade angeregt. Als neulich Holz aus dem angrenzenden Wald gesägt wurde, habe ich Schalung bestellt und dann lag die plötzlich vor dem Haus, ohne Plan, wer das eigentlich wann montieren soll. Und dann hatte Emma (glaube ich, vielleicht war es auch A-lex) die tolle Idee, die Woche nach dem Urlaub zum Bauen freizuhalten.

Vor dem Urlaub habe ich angefangen, die Unterkonstruktion vorzubereiten (ziemlich spannend, weil es aufgrund der höchst experimentellen Bauweise fast nichts zum Festschrauben gibt), und jetzt haben wir das Gerüst hochgebaut und gestern Nachmittag haben A-lex und Yuriko schon den ersten Meter Schalung unten angebracht, während ich oben weiter an der Unterkonstruktion tüftle – mit mal mehr und mal weniger Erfolg. Emma hat die Fenster gestrichen, war mit den Kindern Pilze sammeln und hat lecker gekocht für uns. Pilze haben sie keine gefunden, sie sind nur los, weil Ta einen tollen Parasol ganz alleine gefunden hatte – das blieb aber ein Einzelstück (der wurde von Emma gebraten und dann hat Ta die einzelnen Stücke beim Abendessen nach und nach an die Familie verschenkt).

Gestern Abend war ich richtig glücklich, weil das gemeinsame Bauen so viel Spaß gemacht hat. Jetzt ist es schon wieder typisch so, dass ich es am Schreibtisch eigentlich sehr gemütlich finde – gestern noch gebadet, frische Klamotten am Körper statt schwerer Bauhose und schwitzen. Das mit dem Bauen ist immer so, dass es mich Überwindung kostet. Und dann ist es doch schön da draußen mit dem Werkzeug – immer zu wissen, welcher Schritt als Nächstes dran ist, und nach und nach weiter kommen. Und verblüffend ist, dass aus einem ewig vor uns hergeschobenen Projekt „Hm, also diese Lehmfassade im Westen, da müsste man mal was machen“ jetzt wirklich eine reale Aktion wurde/wird.

Heute Vormittag werde ich mit Yuriko und allein noch ein bisschen an der Unterkonstruktion für den oberen Teil der Fassade arbeiten, da gibt es noch Herausforderungen, zum Beispiel eine bestimmt 20 cm dicke Beule im Lehmputz, die im Weg ist und wegmuss – aber warum ist die dort überhaupt? Wahrscheinlich hat sie einen Grund… Mal sehen was darunter zum Vorschein kommt. Irgendein Balkenstück (das uns dann auch im Weg ist)?

Nachmittags werden Yuriko und A-lex dann die untere Hälfte der Fassade verschalen. Um Fensterlaibungen und Fensterbretter kümmere ich mich dann später. Was die Sache besonders spannend macht, ist, dass es bei diesem Bauwerk ein Restrisiko gibt, dass es nicht hält, sondern stattdessen die ganze Hauswand (aus Stroh gebaut) aufreißt. Aber nein, das ist nur ein theoretisches Risiko. Eigentlich sollte es halten. Ich hab das ja geplant und andere Fachleute gefragt. Also mal sehen. Wäre schön, wenn es hält. Will sagen: Ich freu mich schon drauf, dass es halten wird.

Und jetzt zum Frühstück.

P.S. von Georg Ringsgwandl gibt es ein tolles Lied mit demselben Titel wie dieser Bogbeitrag.

2024

OK, ich versuch mal, in der nächsten Zeit unseren Blog wieder zu beleben. Ich habe Lust auf ein bisschen regelmäßiges Schreiben. Bin ein bisschen eingerostet in der Hinsicht. Ich habe vor drei Tagen einen Blogbeitrag über unseren Urlaub angefangen, und es floss überhaupt nicht – ich brauche Übung. Und es gibt bestimmt einiges zu erzählen. Unsere Tochter wird heute in zwei Monaten 12 Jahre alt! Das ist der Wahnsinn. Aus dem süßen Babyknopf wurde ein aufgewecktes Kleinkind wurde eine große Schwester wurde ein echtes Gegenüber – und wird bald eine Teenagerin. Mit 13, so haben wir mal gesagt, bekommt sie einen Computer. Das ist nächstes Jahr. Dann kann sie selber hier im Blog schreiben, das wurde mir gestern bewusst. Bis jetzt hat sie diese Texte noch nicht mal gelesen, obwohl sie längst dazu imstande wäre. Und drei Jahre später, vielleicht ein bisschen später, ist es bei den Jungs auch so weit.

So lange dauert es also mindestens noch, bis die Kinder qualifiziert sagen können, ob sie einverstanden wären, dass wir unsere und ihre Identität lüften. Wäre ja schon schön. Ich muss immer nachschauen, wen von den beiden wir Noam und wen Ta genannt haben, außerdem gäbe es über unser Dorf allerhand zu berichten und einen schönen Film zu empfehlen.

Die Gemely, 2024: Alles wie gehabt. Ich bin immer noch oft „Mama“ für Kiko, obwohl sie sich schon seit Jahren versucht anzugewöhnen, mich nur „Papa“ zu nennen. Ich freu mich immer drüber. Die Jungs sagen eher Papa zu A-lex und mir und Mama zu Emma und Yuriko, aber es kommt oft vor, dass sie nach Papa rufen und ich dann erst mal „welcher?“ zurückrufen muss, um zu erfahren, wen sie meinen. Die Antwort kann dann auch „egal“ sein, wenn es darum geht, einen besonders festsitzenden Legostein zu lösen. Bei Noam ist immer noch A-lex der (Kuschel-)Favorit, neulich hat er durchblicken lassen, dass der einfach weicher ist als ich. Ich bin offensichtlich zu mager. Ta ist bei den Männern nicht so festgelegt; wenn irgendwas schief gegangen ist und Tränen fließen, heißt es aber schnell „Yuriko soll kommen“. Die beiden Zwillinge können ausgezeichnet miteinander spielen, aber natürlich im Streit auch alle Register ziehen. Ich habe gerade den alten Eintrag „Die (kleinen) Kinder sind jetzt auch vier“ gelesen – da hat sich gar nicht so viel geändert, fast fünf Jahre später. Im November werden sie neun und gehen dann in die dritte Klasse. Zwar können beide jetzt gut lesen (Noam besser), schreiben und rechnen (Ta besser), aber immer noch ist Ta der Schelm, der mutig ist, keine Veranstaltung auslassen will, gerne bei Haushalts- oder Bauarbeiten mithilft und der keine Ruhe gibt, wenn er Lust zu ärgern hat. Noam kann schon lange für sich alleine lesen, erstellt komplexe Zeichnungen und sogar Geschichten, bleibt lieber zu Hause, meidet Menschenansammlungen und überrascht mit klugen Gedanken. Ta lässt sich selten was sagen, das sind eher besondere Momente, wenn er fragt und dann aufmerksam der Antwort lauscht – er will alles selber rausfinden. Er wird auch nicht gern gefragt – er hat eher eigene Pläne, die damit nur durcheinanderkommen. Wenn er baut oder liest – da kann er weder Fragen noch ungefragte Erklärungen brauchen. In der Schule kommt er aber gut zurecht, ist laut Schulpersonal konzentriert und ausdauernd. Mit Noam geht so ein Gespräch leichter, in dem was erklärt wird und er dann gute Schlussfolgerungen zieht. Besonders abends zwischen Buch-Vorlesen und Einschlafen, allerdings hat Ta dann keine Geduld mehr und will „endlich schlafen“.

Es ist so toll, dass sie trotzdem auch die besten Freunde sind. Und auch, wenn sie ihre Schwester anhimmeln und sich freuen, wenn sie (oder ihre beste Freundin Minze) was mit ihnen unternimmt, sind sie ganz unabhängig von ihr und einander gute Partner. Jetzt sind Ferien, da ziehen sie lange alleine durchs Dorf. Und bringen immerhin nicht jedes Mal was aus der Schrottecke mit (seit Wochen steht das Gestell eines Klappsofas vor unserem Häuschen, das sie auf seinen winzigen Rollen mühsam über Schotterwege von der Schrottecke bis zu uns nach Hause geschafft haben – das Ding ist Fahrzeug, Geheimversteck und Tennisnetz in einem).

Wir teilen immer noch unsere Nächte so auf, dass jede*r (wenn zu Hause) alle vier Tage die Nacht mit den Jungs macht und mit in ihrem großen Kinderzimmer schläft (zwischen 20:00 und 21:00 sollte das Licht aus gehen), und dann zwei Tage später, ebenfalls alle vier Tage, Ansprechperson für Kiko ist (Zapfenstreich an Schultagen 21.30, in den Ferien eher deutlich später). Ich habe dann also jede zweite Nacht gar keine Kinder und ein- bis zweimal pro Woche treffen Yuriko uns dann zu zweit, was immer schön und manchmal oft zärtlich ist. Derzeitige Lieblingsnebenbeschäftigung von uns ist „The Crown“ auf Netflix. Wir sind dann immer noch ne Weile sehr majestätisch unterwegs danach. A-lex macht in jeder freien Minute Musik (soll er doch mal seinen Soundcloud-Kanal hier posten, der ist doch auch pseudonymisiert…?) und Emma ist für alles Mögliche zu haben. Sie wohnt als einzige nicht in unserem Neubau, sondern 100 m weiter im Bauwagen, und sie ist oft am Wochenende nicht da, weil sie noch in der Ausbildung zur Kunsttherapeutin ist.

Ich versuche, morgen weiter zu schreiben, Themen der nächsten Beiträge werden meine Beziehung zu Emma, Geld und unser Urlaub. Außerdem möchte ich selbst mal alte Beiträge lesen und mich davon inspirieren lassen. Angeblich haben wir ein paar Lesende; schreib gerne in den Kommentar, wenn dich was Bestimmtes interessiert!

Pfingsteier 2023

Ups, mal eben zweieinhalb Jahre nicht mehr im Blog geschrieben. Da könnte die eine oder der andere ja direkt ins Grübeln kommen, ob es uns eigentlich noch gibt…? Ja, tut es, und wie. Und weil ich persönlich gerade so ne Phase durchmache, wo ich mich frage, ob ich mein Leben eigentlich genug wahrnehme oder ob ich nicht vielleicht viel zu sehr durchrausche, geh ich jetzt noch nicht an die Arbeit (heute ist sowieso Feiertag, aber so wie ich drauf bin, arbeite ich ganz normal meine Listen ab wie jeden Tag), sondern reflektiere mal ein bisschen über uns und über mich.

Also, die Kinder sind ja jetzt 10 (Kiko) und 7 (die Jungs). Kiko ist total selbständig und gut beschäftigt, sie hat wieder ihren Schneckenclub, in dem sie Schnecken versorgt und ständig aufräumen und verbessern muss, teils allein, teils mit ihren Freundinnen. Sie turnt am Vertikaltuch, arbeitet sich durch das Greta-Thunberg-Klimabuch und liest und liest und liest. Ihre beste Freundin wohnt jetzt direkt nebenan; ich war Bauleiter bei dem Haus, das da jetzt steht. Der Vater ihrer Freundin hat Hühner mitgebracht, die jetzt auf unserem Gelände herumscharren und picken und gackern und Eier legen. Da die Familie von Kikos Freundin gerade verreist ist, ist Kiko zuständig und sammelt die Eier ein und bringt sie uns. Dabei ist sie inzwischen nach A-lex die strengste Veganerin in der Familie und isst selbst gar keine. Vorgestern war die Aufregung groß, weil das Huhn Monique nicht aufzufinden war, dabei hat Kiko die Aufgabe, es jeden Abend in den Stall zu scheuchen als Schutz vor dem Fuchs. Monique hat die Nacht aber irgendwo draußen verbracht und ist dann gestern Vormittag plötzlich aufgetaucht. Sie schien irgendwo ein Nest zu haben und zu brüten, dabei haben die Hühner keinen Hahn und die Eier können gar nicht befruchtet sein. Ich habe (von Kiko) gelernt, dass auch brütende Hühner zwischendurch aufstehen, sich was zu essen sammeln, kacken und im Sand baden, bevor sie weiter brüten. Bei der Gelegenheit hat Kiko sie dann entdeckt, sich auf die Lauer gelegt und zweieinhalb Stunden lang beobachtet. Das Nest war gut versteckt im hohen Gras. Gestern Abend wurde Monique dann einfach in den Stall getragen zu ihrem eigenen Schutz, diese Aktion musste ausgerechnet A-lex begleiten (der gestern für Kiko zuständig war), obwohl der es aus ethischen Gründen total ablehnt, dass Hühner überhaupt zum Eierlegen gezüchtet und gehalten werden. Er meinte auch, dass sie nur so viele Eier legen, weil man sie ihnen immer wieder wegnimmt.

Na, jedenfalls kamen unter Monique 16 Eier zum Vorschein! Ich hatte die Nacht mit den Jungs und heute früh gab es dann Rührei satt in unserer veganen Küche. Ich hab noch gewartet, bis A-lex weg war (ich glaube, er hatte sich schon damit abgefunden, dass wir die Eier bei uns essen); Emma hat sich gefreut und ordentlich reingehauen. Die Jungs sind nach dem Frühstück gleich verschwunden, Ta war mit der anderen Nachbarin verabredet, die zwar kleiner als er ist und noch in den Kindergarten geht, die aber gestern Geburtstag mit Ta und Noam gefeiert und irgendein großartiges Bauprojekt mit Ta angefangen hat. Noam hat eigentlich auf dem Sofa einen Comic gelesen (er konnte nach einem halben ersten Schuljahr schon ziemlich gut lesen), aber ist dann doch auch mit abgezischt. Emma, die heute Vormittag bei den Kindern ist (Ferien!), hat sich Zeichenarbeit mitgebracht und wird wohl illustrieren, wenn die Kinder ausgeflogen sind. Ich bin heute Nachmittag bei den Kindern, wenn die denn dann da sind. Wenn nicht, hab ich auch selbst ein gutes Buch zum Lesen. Ich muss heute noch abschließende Bauleitersachen machen und ich hab ein Serverproblem, mit dem ich als Megadummie nicht besonders fix weiterkomme. Die Website meines letzten Films ist seit Wochen offline, keine*r kann ihn kaufen und streamen. Aber irgendwie will ich es wissen und das delbst wieder zum Laufen bringen. Ich könnte ja auch einfach Websites mieten, bei denen alles von anderen gemacht wird.

Ansonsten bin ich mit einem Politik/Kunstprojekt beschäftigt, für das ich auch unterschiedlich stark motiviert bin.

Und jetzt zähle ich wieder so auf, was bei uns passiert, was für den Blog ja wohl gut ist, aber es bringt mich noch nicht so ganz ins Philosophieren. Obwohl das das schönste Erlebnis beim Schreiben wäre. Letztes Jahr habe ich einen Roman fertig geschrieben, das ist im Vergleich schon toll, wenn man sich alle Zeit der Welt lassen kann, um eine Geschichte zu erzählen, und nicht versucht, seinem eigenen Leben erklärenderweise hinterherzuhecheln… Und dann eigentlich schon keine Lust mehr hat, wenn das Allernötigste aufgeschrieben ist. Na, vielleicht mal mehr zu den Gefühlen ein andermal. Themen wären sonst auch: Schule, Familienberatung…

Ich frag mal die anderen, ob wir eigentlich mal unsere Identität lüften könnten, dann könnte ich denen, die diesen Blog vielleicht noch lesen, mal ein Filmchen über uns empfehlen…

„Im Flow“ – Familientage

Heute ist der erste Weihnachtstag und mir fällt heute erst auf, wie bravourös wir den Heiligabend gemeistert haben. Er war einfach schön, harmonisch, stressfrei – und das ist angesichts dieses Datums ja schon was Großartiges. Ich erinnere mich an ganz schön verkrampfte Feiertage in (ferner) Vergangenheit.

Emma ist in ihren Bauwagen umgezogen und hat ihre Kindernächte seitdem dort gemacht – sowohl die Jungs als auch Kiko hatten Lust, bei ihr zu schlafen. Sie haben auch alle schon eigene Zahnbürsten dort…

Die eigentliche Herausforderung wartet in den nächsten drei Tagen auf mich. Yuriki wünscht sich „Familientage“ „ohne zeitliche Absprachen“. Das heißt konkret – ich weiß es nicht. Wir sind prinzipiell alle da und schauen nach den Bedürfnissen. „Vielleicht geht mal jemand spazieren“… Bloß kein Plan.

Für mich – aber auch Emma und Alex haben angedeutet, dass es ihnen so geht – ist es gut, dass wir normalerweise vorher fest ausmachen, wer für die Kinder zuständig ist. Früher war das auch für Yuriko wichtig, weil sich die Kinder sonst als allererstes auf sie bezogen hätten. Ich bin dann entweder ganz bei den Kindern oder ich vertiefe mich in Kunst (gerade schneide ich einen Film) oder Arbeit (ich muss noch die Buchhaltung für unseren gemeinsamen Betrieb machen).

Wenn ich die Kinder zusammen mit noch einem Elternteil „habe“, ist die Zeit schon sehr entspannt. Selbst da ist es dann ok, sich mal ein bis zwei Stunden für eine andere Beschäftigung abzuseilen. Aber jetzt sollen wir alle vier da sein. Ich kann dann auch mal weg, aber das soll nicht geplant werden.

Gestern Abend habe ich angekündigt, heute Vormittag gerne zwei Stunden für mich sein zu wollen (Film schneiden) – FALSCH! Das wäre ja schon wieder ein Plan.

Also war ich froh, dass ich gerade um 7 Uhr neben Kiko aufgewacht bin. Ich bin in meinem Zimmer und nach diesem kleinen Text mach ich das Schnittprogramm an und arbeite bis 9 Uhr. Wenn ich dann rüber gehe, ist es doch irgendwie so, als wäre ich gerade erst aufgestanden… Duschen tu ich jetzt extra noch nicht, weil ich vermute, dass das etwas ist, was ich an einem Familientag auch zwischendrin tun kann…

Ich glaube, Yuriko fände nicht so gut, dass ich das so aufschreibe…? Aber nur deshalb, weil sie nicht so gut findet, dass ich unseren Plan als eine Befreiung empfinde, während sie damit eher eine Zergliederung unseres Familienlebens assoziiert (obwohl ich vermute, dass er auch ihr mehr hilft als schadet… Aber Vermutungen über andere findet sie auch nicht so gut…).

Und manchmal blinkt was und manchmal nicht.

Eben nach dem Licht aus machen – während Ta schon in den Schlaf dämmert, seine Hand um meine Finger, philosophiert Noam noch: „Was wäre, wenn wir sterben, Ta und ich?“ und später „Ich möchte niemals sterben, und ihr sollt auch niemals sterben.“

Ich erkläre ruhig und einschlaffördernd: Im Leben ist das halt so, dass manchmal traurige Dinge passieren und manchmal schöne. Vielleicht zieht mal ein Freund von dir weg, dafür lernst du einen anderen kennen. Oder es gibt mal was Leckeres zu essen und ein andermal schmeckt es dir gar nicht. Oder ein Spielzeug geht kaputt, aber dann findest du ein anderes in der Verschenkeecke [unseres Dorfes]. Manchmal bist du krank und traurig, und dann ist es mal wieder total lustig…“

Noam bringt den Gedanken auf den Punkt: „Und manchmal blinkt etwas und manchmal nicht.“

Äh ja. Genau.

Mit ein bisschen gutem Willen kann man diese Weisheit auch auf die Gemely anwenden. Während einiges blinkt (Kinder gesund, fit, zufrieden, geliebt und geborgen; Coronathema ist auch nur sehr soft zu spüren hier draußen bei uns; und ich hab persönlich ein sehr erfüllendes Jahr) blinkt manches nicht – insbesondere sollte hier im Blog schon mal angesprochen werden (finde ich), dass Emma sich zwar nicht aus der Elternschaft, aber doch aus der Mitgliedschaft in der Gemely-Gruppe irgendwie herausziehen will. „Irgendwie“, weil das natürlich nicht so einfach geht. Zunächst sucht sie räumlichen Abstand und will aus ihrem Zimmer in unserem gemeinsamen Haus ausziehen – in die Nähe irgendwo, mit eigener Kochmöglichkeit, mehr Raum für sich. Wie sie dann ihre Nächte und (halben) Tage mit den Kindern verbringt, ist überhaupt noch nicht klar. Als einer der Auslöser für ihr Abstandsbedürfnis nennt sie immer wieder mich, auch wenn es nicht so richtig konkret wird. Das macht mich etwas hilf- und machtlos. Selbst, wenn ich mir Mühe gebe und vermeide, zu kritisieren oder zu singen oder meine Wäsche aufzuhängen, was alles jedenfalls konfliktträchtig ist, macht Emma einen Bogen um mich. Das kann also auch passieren, auch in einer Gemely: Dass es dieses fiese irrationale „ich kann dich einfach nicht mehr riechen“-Phänomen gibt, das man eben leider nicht einfach mit einem guten Gespräch und einer Umarmung wieder auf einen guten Weg bringen kann. Ist vielleicht einigen aus vergangenen Beziehungen bekannt…?

Unsere Kinder wurden in einer „Familienratssitzung“ informiert und haben es mit Fassung getragen. Kiko war anschließend so superbrav (aufräumen, Geschirrspüler ein- und ausräumen), dass Psychologin Yuriko sofort vermutet hat, dass sie sich möglicherweise schuldig fühlt und entsprechend kompensiert, aber Kikos Verhalten hat sich schnell wieder normalisiert und das Chaos fühlt sich wieder ganz vertraut an. Mal sehen, wie das wird, wenn Emma wirklich ihren Krempel ausräumt.

Yuriko, A-lex und ich rücken damit automatisch näher zusammen. Die Kinder sind insbesondere A-lex gegenüber sehr anhänglich. Als Lieblingspapa hat er mich gerade überholt, das bereitet mir aber kein Kopfzerbrechen – ist eher eine schöne Entwicklung. Manchmal blinkt es zwar nicht, aber manchmal eben doch.

Beziehung ist immer Prozess: Dann lieber richtig

Was für ein sperriger Beitragstitel! Aber ich komme mit einer neuen Erkenntnis aus dem Urlaub zurück. Wir waren wieder in den Bergen, eine Woche nur Yuriko und ich mit den Kindern und dann in der zweiten Woche dann alle zusammen. Es war herrlich: Die Kinder mal auf die Berge treiben (und tragen) und in den Kletterwald und in den Gebirgsfluss… Brezen essen und Radler trinken… Fantastische Maschinen aus ausgeschnittenen Fertigpizzakartons zusammenkleben und neue Grenzen überschreiten (mit relativ großen Fahrrädern relativ weit fahren auf Straßen, auf denen tatsächlich Autos und dergleichen fahren). Allein diese Reize haben unsere Kinder wachsen lassen… und mir wieder mal klar gemacht, dass wir uns ganz gut eingerichtet haben im Leben in unserer Ökogemeinschaft im Nirgendwo (wo ich jetzt wieder im selbst gebauten Niedrigenergiehaus sitze).

Die neue Erkenntnis kam dann bei der Bergtour, die ich ohne Familie mit einem Vertrauten unternommen habe, der mir von seiner Zweierbeziehung/Kleinfamilie erzählt hat. Die Beziehung funktioniert gut, aber (offenbar natürlich in solchen Konstellationen) es gibt schon Nervereien und Reibereien… Sie mag nicht mehr mit ihm diskutieren, weil er, wie er selbst zugibt, sie stets in Grund und Boden argumentiert. Sie nimmt auch am Esstisch mal das Handy zur Hand, obwohl es eine klare Regel gibt, das nicht zu tun („Ist ja nur ganz kurz“, sagt sie dann… und er ist davon total genervt). Sie kauft dem Jungen immer ein Lego-Modell, wenn der Kleine mit ihr beim Einkaufen ist, weil sie nicht „nein“ sagen kann. Und so weiter.

Wenn ich das mit der Lage bei uns vergleiche, fällt mir auf: Das sind alles Unstimmigkeiten, die beim Gemely-Treffen zur Sprache kommen würden – die wir also in der Vierergruppe klären würden. Das wird schlicht auf einer anderen Ebene geklärt als in der Liebesbeziehung von mir und Yuriko und belastet diese deshalb nicht. Was Yuriko und mich aneinander nerven könnte (könnte mit Verschleppen von Aufgaben – sie – , mit dominantem Auftreten – ich –, mit Unordnung – sie – oder mit mangelnder Empathie – ich – zu tun haben), das sind die ganz normalen Probleme, die in Gruppen von Menschen auftreten und in irgendeinem gemeinschaftlichen Prozess bearbeitet werden müssen, damit sie sich nicht zu Groll verklumpen. Die Essenz der Erkenntnis also: Schon eine Zweierbeziehung ist eine Gemeinschaft und deswegen kommt man um Gemeinschaftsprozesse nicht herum, wenn man nicht als Einzelkämpfer leben oder enden will.

Was manche an so einer Gemely-Konstruktion oder an so einer Lebensgemeinschaft wie der, in der wir leben (150 Menschen im Dorf!) abschreckt, an dem kommen sie meiner Meinung nach sowieso nicht ganz vorbei. Dann lieber erhobenen Hauptes in den Prozess marschieren!

P.S. mir wird gerade klar, dass diese Meinung ziemlich im Gegensatz zu der von Emma steht, die klagt, dass ihr die Vierer-Elternschaft zu viel Gruppenprozessarbeit ist… Tja, so bleibt das dann wohl erst mal stehen. Ich finde: ja, es ist Arbeit, aber sie lässt sich nicht vermeiden. Genauso, wie es meiner Meinung nach keine Alternative zum Versuch eines nachhaltigen Lebens gibt, wenn man ehrlich zu sich sein und sich nicht was vormachen will…

Co-Elternschaft und Überforderung … wie das?

Schwierig einen Blogeintrag zu schreiben, der nicht reagiert auf Heikos Eintrag. Aber ich hab es schon lange vor und finde es auch gut, Euch teilhaben zu lassen an meinen Schwierigkeiten mit der Co-Elternschaft.

Grundsätzlich habe ich kein Thema mit meiner Co-Elternschaft. Ich bin (so ich nicht so doll krank bin wie in den letzten 3 Monaten) gerne mit den Kindern zusammen und übernehme gerne Verantwortung in der Familie und im Haushalt. Seit drei Tagen geht es mir besser und ich kann das gerade wieder neu tun. Das Zusammensein mit den Kindern ist meistens entspannt für mich (bis auf die üblichen Engstellen, wie Anziehen, ausziehen, streiten, Zähneputzen natürlich). Ich hab die drei richtig lieb und erfreue mich an ihrem Wachstum.

Ich gerate aber immer wieder an meine Grenzen, wenn es um das Familienleben zu siebt geht. Schon lange fällt mir auf, dass ich viel entspannter bin, wenn ein Familienmitglied verreist ist oder gar wir Erwachsenen „nur“ zu zweit sind. Die gemeinsamen Familienurlaube waren für mich bisher eher wenig erfreulich, bei den beiden zweiwöchigen Urlauben im Allgäu lag ich jeweils eine Woche im Bett. Weil ich das anders wollte hatten wir im letzten Urlaub nur ein gemeinsames Wochenende in den 2 Wochen, davor und danach waren die beiden Paare allein mit den Kindern. Für mich war das super. Nicht aber für Heiko und Yuriko. Dieses Jahr soll es wieder eine gemeinsame Woche mit allen geben und ich freue mich nicht darauf. Genauso geht es mir mit Familientagen. Und ich kann gut verstehen, dass anderen in der Familie das wichtig ist.

Da mich meine Gesundheit drängelt (ich bin seit Ende 2018 mit längeren Krankheitsphasen gesegnet, ein Rückfall nach dem anderen), frage ich mich nun also, warum das so ist. Ich bin ein Mensch mit stets auf Empfang gestellten Antennen, wie auf „Hab acht“. Ganz einfach gesagt, bin ich überfordert, wenn zu viele Menschen im Familiensystem im Raum sind. Dann schneide ich mit, wie A auf B reagiert und wie dann eins der Kinder reagiert, dann sende ich wahrscheinlich Signale, auf die C reagiert, worauf wieder ich reagiere usw.. Ich vermute, die Dynamik unter den Familienmitgliedern ist ein „zu viel“. Dass die schrillen Stimmen dann anstrengen, die Küche für meinen Geschmack zu chaotisch und zu dreckig ist, kommt dann obendrauf und ich frage mich: will ich so leben?

In mir wächst das Gefühl von „ich will mein Leben leben“ und da wird es spannend. Leicht sagt sich dahin, „ja wenn nur die anderen nicht, dann“…..das Gefühl von Fremdbestimmtsein. Immer ist es sooo kompliziert Themen mit der gemely zu klären, bis wir uns mal treffen und dann fällt mein Thema hintenrunter undundund. Leicht entstehen bei mir Fluchttendenzen und der Traum von einem selbstbestimmten Leben ganz woanders, in dem die Kinder zu mir kommen und ich bestimmen kann, wie es da aussieht und läuft.

Ja, aber ich lebe doch immer jetzt „mein Leben“ und was trage ich dazu bei, dass ich scheinbar andere darüber entscheiden lasse? Ein Beispiel: ich hatte schlimme Schlafprobleme in letzter Zeit und lag jede Nacht wach, die ich die Kinder hatte (wir schlafen dann im gleichen Bett), also jede zweite Nacht. Also dachte ich, wir müssen unbedingt mal drüber reden, dass die Kinder lernen , alleine zu schlafen. Dann war Weihnachten, Kranksein, Urlaub, wieder Kranksein…..das letzte gemelytreffen ist ewig her. Bis ich endlich auf die Idee kam, das einfach für mich alleine zu lösen und in einem anderen Bett im Nachbarzimmer zu schlafen und das klappt prima.

Ich spreche oft Sachen nicht an, weil ich mir vorher schon soviele Gedanken mache, was die anderen dazu sagen und denken würden. Auch damit trage ich dazu bei, dass ich nicht das lebe, was ich möchte und behalte den anderen wichtige Informationen vor. Ich möchte geliebt werden und Erwartungen anderer erfüllen und so fort. Daraus entsteht, dass es für mich schwer ist, mich im Familienumfeld überhaupt zu spüren, geschweige denn zu sagen, was ich brauche. Es tut mir leid, dass es so ist und ich schaue mir das an. Ob ich das ändern kann, wird sich zeigen. Auf jeden Fall gut, dass mich das Familienleben mit der Nase darauf stößt.

Ich habe lange gebraucht, um dahin zu kommen. Letztes Jahr war ich 4 Monate krank und es war für mich schon ein Riesenschritt, überhaupt nur zu denken, das sich mein Platz im Familiensystem irgendwie ändern lässt, dass es Möglichkeiten gibt. Ich habe gemerkt, dass ich selbst die Idee von „wir müssen alle gleichviel beitragen und immer da sein“ internalisiert hatte (obwohl da die Realität schon anders aussah) und andere Ideen nicht mal gedacht werden durften. Viel verändert hatte sich dadurch noch nicht. Dieses Jahr bin ich endlich soweit, Veränderungen vorzuschlagen und umzusetzen, um wieder ganz da sein zu können, ohne wieder krank werden zu müssen.

Um aus der Überforderungsschleife rauszukommen und auch Bedürfnisse zu nähren, die anstehen (z.B. Raum und Zeit für die Malerei zu haben, anderen Menschen zu begegnen), habe ich mir folgende Strategien ausgedacht: ich werde ca. 2 Tage in der benachbarten Stadt verbringen, wo ich ein Atelier gemietet habe. Und ich werde bis zu einer Mahlzeit täglich in einer befreundeten WG essen, wenn das geht. Ich merke jetzt nach 3 mal schon, wie gut mir das tut. Habe auch kein Thema damit, meine Abwesenheit bei den Mahlzeiten durch andere Kinderzeiten auszugleichen oder wenn andere dieses Privileg auch für sich in Anspruch nehmen wollen, eine Lösung zu finden.

Meine Prozesse ruckeln im Familiensystem und ich glaube das ist gut. Es gibt Gespräche und vielleicht schaffen wir es, uns demnächst mal mit Hilfe von außen anzuschauen, warum es diese Themen der Überforderung und Anstrengung gibt ( da bin ich ja nicht die einzige). Ich wünsche mir das für uns und v.a. unseren Kindern zuliebe, denn die sind diejenigen, die die unterschwelligen Spannungen aufnehmen, ohne zu wissen, was da passiert.

Danke fürs Lesen

Emma

Schadensmeldung

In der Praxis ist es vielleicht nur eine unwesentliche Veränderung, was Emma sich zuletzt ausgedacht hat – aber es mischt uns ordentlich auf, macht (mir) Angst und verändert, meiner Wahrnehmung nach, drastisch die Familienstimmung. Ich will auch nicht viel über sie schreiben, sondern über die Veränderung in der Gemely und wie es sich für mich anfühlt.

Die konkrete kleine Veränderung ist, dass Emma an manchen Tagen der Woche jetzt nicht mehr mit uns anderen drei Eltern und den Kindern zusammen zu Mittag isst, sondern sich eine andere WG im Dorf gesucht hat, mit der (in deren Küche) sie diese Zeit verbringt.

Sie ist seit drei Monaten krankgeschrieben und schon seit einem halben Jahr mit diversen Symptomen unterwegs – von körperlicher Schwäche bis zu wiederkehrenden Erkältungen – und zum Schluss gekommen, dass unser Familienleben ein wichtiger Auslöser für ihre Krankheit ist. Als Yuriko und ich mit den Kindern neulich eine Woche weg waren, ging es ihr besser, als wir wiederkamen, wieder schlechter (obwohl ich nach unserer Rückkehr zwei Wochen mit Mittelohrentzündung im Bett lag und in der Familie völlig abwesend war). Das hat sie auch früher schon beobachtet. Jetzt isst sie mittags mit anderen Erwachsenen, kein Geschrei, weniger Chaos, sie merkt, dass es ihr damit besser geht.

OK, das könnte man jetzt auch so stehen lassen. Hauptsache, Emma wird wieder gesund. Sie stellt die Gemely oder ihre Elternschaft auch nicht in Frage, wie sie sagt.

Es ist halt, laut Emma, anstrengend bei uns. Und: Das liegt auch daran, dass wir uns nicht genug um unsere Beziehungen kümmern. Emma hat festgestellt, dass die vielen ungeklärten Probleme zwischen uns die Stimmung vergiften. Sie ist nicht gut darin, so was anzusprechen und zu klären, sie zieht sich das alles rein, und davon wird sie krank.

Es ist dann doch nicht so einfach, das so stehen zu lassen. Denn auf einmal wurde aus einer rätselhaften Krankheit einer Person ein verkorkstes System, zu dem ich selbst beitrage. Und obwohl ich selbst gute Erfahrungen mit Therapie gemacht habe, bin ich nicht bereit, mir diesen Schuh anzuziehen. Auch wenn ich manchmal ungeduldig bin, andere Vorstellungen von Gerechtigkeit habe oder skeptisch gegenüber esoterischen („alternativen“) Methoden, Behandlungen und Heilmitteln bin – ich halte mich für einen fairen und zuverlässigen Spieler in unserem Viererteam. Wie jede Gruppe würde uns eine regelmäßige Supervision nicht schaden. Aber wir brauchen sie, finde ich, auch nicht mehr als andere Gruppen. Das Wichtigste, was wir einander zu bieten haben, ist unsere gemeinsame Aufgabe.

Ich habe in diesem Blog schon drüber geschrieben, wie man auch mit unterschiedlichen Menschen klarkommen kann, mit denen man es eigentlich nicht so einfach hat, wenn man sich zusammen auf ein Ziel einschwört. Immer wieder stelle ich fest, wie viel Respekt ich vor allen Gemely-Mitgliedern habe, weil wir zusammen diese Kinder begleiten, mit einer Vision, mit Liebe, Toleranz und manchmal (wenn die Nerven arg gespannt sind und alle drei herumflippen) zusammengebissenen Zähnen. Natürlich ist es anstrengend, manchmal. Die Kinder sind klein, singen, tanzen, springen, vor, nach und während des Essens.

Was kann ein Elternteil tun, wenn Familie zu anstrengend ist?

Darf das überhaupt sein?

Das sind Fragen, die mich beschäftigen. Am Liebsten will ich diese Fragen gar nicht erst stellen und wahrscheinlich bin ich aufgewühlt und sogar wütend, weil Emma es tut. Meine Mutter hat zwei kleine Jungs allein großgezogen und ich bin mir sicher, dass es ihr zu anstrengend war. Manchmal war sie krank, es ging ihr hundeelend, und trotzdem hat sie uns für die Schule klargemacht und später ein Mittagessen gekocht. Und dann ist da Emma, nach außen hin funktionstüchtig, im Dezember erst drei Wochen „Auszeit“ genossen, hat Spaß mit den Erwachsenen in der anderen Küche und richtet sich gerade ein neues Atelier ein, das ebenfalls genügend Abstand zur Familie haben wird – und findet es zu anstrengend. Es fällt mir super schwer, das zu hören und zu akzeptieren, ich gebe es zu. Da hab ich einen blinden Fleck. Das darf bei mir scheinbar irgendwie nicht sein, dass bei allen Veränderungen auch nur im Mindesten an der Variablen „Elternschaft“ gedreht wird; genau das passiert aber, wenn Emma jetzt beim gemeinsamen Mittagessen mit den Kindern fehlt. Es ist irrational von mir, stimmt schon. A-lex hat zwei Jahre lang nicht mit uns gegessen, weil er mittags in der Firma war. Ich habe nach unseren Arbeitszeitvereinbarungen nur einen festen Nachmittag unter der Woche die Kinder, also eh schon halb so viel wie Emma. Dazu kommt, dass wir auch gut zu dritt oder zu zweit (diese Woche ist Yuriko beispielsweise sechs Tage am Stück arbeiten) mit den Kindern essen können.

Und doch, ich reagiere so giftig auf Emmas Maßnahme. Warum?

Weil ich neidisch auf sie bin und auf das, was „sie sich rausnimmt“?

Weil ich als notorischer Besserwisser nicht gutheiße, was sie sich ausdenkt, um wieder gesund zu werden?

Weil ich ihr unterstelle, viel mehr an sich zu denken als an uns und die Familie?

Vielleicht sollten wir uns unsere Beziehungen untereinander doch noch mal ein bisschen genauer anschauen…