Ich werde in unserem inzwischen sehr routinierten Gemeinsam-Eltern-Alltag langsam sehr aufgeregt, denn in zwei Wochen fahre ich alleine mit Kiko weg und zwar für eine ganze Woche! In die Berge zu meinem Bruder, der inzwischen Vater eines halbjährigens Zwergs ist. So lange war noch kein Elternteil allein mit Kiko unterwegs und außerdem wird danach nicht mehr gestillt – wir werden unzertrennlich sein, Kiko und ich. Machen sich da Vaterrollenfantasien in mir breit? Und wenn schon. Es sind nur Fantasien, das merke ich doch, wenn ich glücklich alleine meine Arbeit tun oder lesen oder mich mit Yuriko treffen kann… Hmmm. Ich bin so froh, dass Kiko vier Eltern hat. Und auf meine Reise bin ich ja nicht nur jetzt schon stolz, sondern eben auch aufgeregt. Den ganzen Tag verantwortlich, kein Flüchten in die Welt meines Schreibtisches, ein Kind, das vielleicht auch mal traurig nach den anderen fragt… Hoffentlich geht das gut.
Neulich, als Yuriko einen weit entfernten Termin hatte, hat sie mit mir einen Reiseplan samt Kiko geschmiedet, der uns vier Tage von A-lex und Emma getrennt hat. Allerdings hatten wir das gar nicht groß mit den beiden abgesprochen; irgendwie waren wir davon ausgegangen, dass es immer gut ist, wenn wir Kiko mitnehmen. Außerdem waren die beiden gerade nicht da, als wir die Tickets gebucht haben. Und da haben dann beide später so reagiert, dass wir das in Zukunft gemeinsam beschließen müssten, Kiko hätte schließlich gern auch bei ihnen bleiben können. Es war nicht so, dass ich die beiden als sauer empfunden habe, es war eher so eine Irritation, die mich gefreut hat. Im Alltag ist es ja doch eher so, dass eine_r oder zwei von uns wegfahren und die anderen dann stöhnen, weil sie weniger Zeit für ihren eigenen Krams haben durch die längeren Zeiten der Kinderbetreuung. Und bei diesem Mal ist die Situation quasi gekippt – statt unsere freien Zeiten zu verteidigen wurde mal die Zeit mit Kiko verteidigt. Ich finde das toll.
Meine Kiko-Reise ist aber seit Langem angekündigt und wird von den anderen begrüßt, weil sie in der Woche entweder selbst weg sind oder viel zu tun haben.
Konflikte zwischen Eltern gibt es übrigens auch, zuletzt ein paar Mal aus einer Unsicherheit heraus, wie mit Kikos gelegentlicher Präferenz der Biomutter umgegangen werden soll. Zum Beispiel ist Yuriko mal frühmorgens für drei Tage weggefahren und hat versäumt, das Kiko am vorherigen Tag zu erklären. Kiko kann zwar selbst noch nicht reden, scheint aber zu schätzen, wenn ihr Sachverhalte wie Wegfahren oder Verreisen vorher erklärt werden. Es macht Sinn, sich von ihr zu verabschieden!
Weder Yuriko noch Emma, die die Nacht mit Kiko verbrachte, noch sonst jemand hatte sich überlegt, wie dann der Morgen verlaufen würde, und tatsächlich war Yuriko vor ihrer Abreise zwar früh im Haus, musste aber dann doch weg, bevor das Kind aufgewacht ist. Als ich ihr später gesagt habe, dass ich es besser gefunden hätte, die Kleine aufzuwecken und dann vielleicht beim Stillen wieder einschlafen zu lassen, wurde Yuriko ganz wütend auf mich, weil sie selbst diesen Impuls gehabt, ihn letztlich aber unterdrückt hatte. Unter anderem wohl, um Emma nicht zu brüskieren, die schließlich in dem Moment die Verantwortung für Kiko hatte und oben bei ihr schlief.
So was ist schade; dass wir nicht zu jedem Zeitpunkt blitzschnell einen Konsens zwischen den verschiedenen Impulsen der Kinderbehandlung finden können (natürlich besonders schwer, wenn Emma noch schläft…) und dass wir manchmal aus Sorge, eine_n der anderen Eltern zu brüskieren, solche Impulse unterdrücken. Ich würde ja vorschlagen, dass wir eher die Brüskierung riskieren als einen Elternimpuls zu unterdrücken, aber vor Ort ist das ja meistens nicht so klar. Außerdem können sich die Elternimpulse ja widersprechen. Gestern saß ich noch spät am Esstisch und blätterte mit Kiko durch ein buntes Magazin, obwohl es Emmas Nacht war – sie tigerte unzufrieden herum und es war schon eine direkte Ansprache nötig, um Bescheid zu bekommen, dass sie die Situation eher komisch findet und nicht recht weiß, was sie jetzt tun soll – ihre Zeit war für Kiko reserviert und jetzt saß ich mit ihr auf dem Schoß da und Kiko war zufrieden. Wenn Emma mich gefragt hätte, ob ich die nächste halbe Stunde verbindlich mit Kiko verbringen würde, hätte ich aber auch nicht gern „ja“ gesagt, ich habe genossen, jederzeit das Heft zuklappen und mich von Kiko verabscheiden zu können. Wie will mensch so was lösen?