Die Zwillinge sind da!
Und haben aus einer ganz normalen, beschaulich das Leben genießenden Gemely (so nennen wir unsere Co-Elternschaft aus vier Erwachsenen und bisher einer 3-jährigen Tochter) einen 7-köpfigen Dauerbeschäftigungszustand gemacht.
Die gute Nachricht: Wenn ich alle drei Tage 24 Stunden lang zusammen mit der Milch pumpenden und stillenden biologischen Mutter Babydienst habe, bin ich danach weich und glücklich. Komme gut damit klar, dass wir vier Erwachsenen jetzt viel öfter zusammen sind und mit unseren jeweiligen Schrullen leben müssen, und stecke auch den verpassten Schlaf der Babynacht gut weg.
Freizeit ist allerdings selten geworden und beruflich sowie ehrenamtlich muss ich mich auch rarer machen. Zu sehen, wie wenig Schlaf die Biomutter (meine Partnerin) bekommt, ist betrüblich, und dass wir überhaupt keine Zeit mehr nur zu zweit haben, sollte bitte kein Dauerzustand werden.
Was bisher geschah
Eigentlich hatten wir uns zu fünft sehr gut eingerichtet. Unser erstes Kind gedeiht prächtig und macht im Alter von bald dreieinhalb Jahren so richtig viel Spaß. Wir wollten auch deshalb noch ein Kind, weil wir ihr ein Geschwisterchen gegönnt haben; noch jemand, der in einer (trotz des großen Erfolges) leider doch ungewöhnlichen Familienkonstellation aufwächst.
Dass sich da zwei Kinder in den Bauch geschlichen haben (und so schnell: Am Abend der Entscheidung für ein zweites Kind wurde schon gezeugt!), war eine Überraschung. Und hat leider dazu geführt, dass die Biomutter vor der Niederkunft drei Monate liegen musste und die Zwillinge nach der Geburt noch 6 Wochen in Krankenhäusern aufgepäppelt werden mussten. Aber am 22. Januar durften sie nach Hause, und dort haben wir unser Wohnzimmer zum Babyschlaflager umfunktioniert.
Alles neu
Während wir vorher für jeden Elternteil den komfortablen Rhythmus von drei freien Nächten und dann einer Nacht mit dem Kind gepflegt hatten – tagsüber waren dank Kindergarten meist sogar nur noch zwei Bezugspersonen nötig, die sich die Nachmittagsbetreuung teilten – haben wir jetzt jeweils nur noch alle drei Nächte frei, die Biomutter Yuriko gar nicht: Jeder nicht-milchgebende Elternteil hat 24 Stunden Babydienst mit Yuriko, von Abend bis Abend, dann eine Nacht frei, dann einen Abend das „große“ Kind. Dann wieder Baby, frei, Kind. So sind immer zwei Leute mit den Zwillingen beschäftigt – entweder gleichzeitig, wenn beide Hunger haben oder Bauchweh oder sonstwie bespaßt werden möchten – oder einer für beide Babys, damit die andere Person zum Schlafen kommt. Gestern Abend zum Beispiel hat A-lex die Nacht mit unserer Tochter gemacht, das heißt, er schlief in ihrem Zimmer. Emma hatte frei und hat sich nach ein bisschen Kuscheln mit A-lex in ihren Bauwagen verzogen. Yuriko konnte nach Stillen und Essen und Pumpen um halb elf endlich schlafen gehen und ich blieb bis halb vier Uhr morgens bei den Babys: Füttern, wickeln, herumtragen, dazwischen (mit dem jeweils am hörbarsten meckernden Baby auf dem Arm) eine Folge Serie gucken und später sogar noch etwas arbeiten (find ich immer witzig, wenn meine Mails um 3 Uhr nachts verschickt werden, das macht doch was her…). Um halb vier Übergabe an Yuriko und vier Stunden schlafen, dann wieder Einsatz für die Babys mit etwas Computerarbeit nebenbei. Heute Vormittag habe ich getippt, dabei 80-Jahre Platten gehört (Men without Hats, Bananarama) und beide Babys haben zufrieden vor sich hin gedöst – ein toller Moment.
Wie weiter?
Nach etwa zwei Wochen Babys im Haus ist immer noch alles neu. Einerseits überkommt mich zuweilen Panik, wie wir das alles schaffen sollen: Wer verdient jetzt eigentlich noch das Geld für uns sieben? Wir wollen in diesem Jahr ein Haus bauen! Wann soll ich alles schaffen, was um mich herum zu tun ist?
Andererseits leben wir ein absolut intensives Leben ganz im Moment. Die Babys wachsen und sind gesund, das Allerwichtigste. Jede neue Woche mit ihnen wird wieder einzigartig. Wir bewähren uns, einzeln wie zusammen. Wir schaffen es, unsere Tochter sanft ins Leben einer Schwester zu führen (jetzt hat nicht mehr jeder sofort Zeit für sie und sie kann auch nicht mehr so wild herumtoben wie früher, wenn die Babys in der Nähe sind). Wir kriegen immer noch ganz schön viel gebacken (unser Hausbauvorbereitungsprozess läuft gut) und manchmal habe ich auch einfach frei: Morgen Vormittag kann ich machen, was ich will.
Auch den heutigen Abend habe ich zur freien Verfügung, und als ich mich dann von der Familie gelöst hatte und in meinem Zimmer stand, stellte ich fest: Ein freier Abend verursacht mir ein bisschen Stress. Frei haben ist jetzt so was Besonderes, dass ich unbedingt was draus machen muss.
Ich wusste, dass am anderen Ende des Dorfes eine Party stattfindet, und obwohl ich nicht eingeladen war, bin ich durch Nacht und Regen mit Schnaps und Zitrone zu dieser Party gewandert. Ich habe mir nämlich neulich aus einer Laune heraus seit 25 Jahren zum ersten Mal wieder eine Flasche Tequila gekauft, und auf einer Party Tequila zu trinken, das wäre schon ein besonderer Zeitvertreib für den freien Abend. Die Party hat sich als sehr kleine und sehr junge geschlossene Gesellschaft entpuppt, gruppiert um ein paar Teelichter, und da bin ich dann sehr schnell wieder abgezogen. Vater von drei Kindern versucht verzweifelt, einen drauf zu machen?
Ficht mich nicht an, ich habe es versucht und darf jetzt auf den bewährten Plan B zurückgreifen: Folge Serie gucken (House of Cards), Chips, lesen. Und ich erwäge, den Tequila allein zu probieren. Einmal frei in drei Tagen, das ist einfach wenig. Wie war das, Salz, Schnaps, Zitrone: Uaaah.